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Fernbahnen im Südwesten- Es kam andersIn Südwestdeutschland gibt es natürlich Fernbahnen. Zwischen den Hauptstrecken Karlsruhe- Basel im Westen und Ulm- Friedrichshafen im Osten entstand nur die Schwarzwaldbahn (Offenburg- Konstanz) von Anfang an als ausgewiesene Fernbahn. Bei den anderen, heute vom Fernverkehr benutzten Strecken standen beim Bau lokale Interessen im Vordergrund. Definition einer echten Fernbahn Die ersten großen Bahnbauten waren Fernstrecken gewesen: Von Mannheim über Heidelberg und Karlsruhe nach Basel, so hatte z.B. die Aufgabe in Baden gelautet. Welche kleinere Stadt zwischen den Endpunkten in den Genuss des Anschlusses kam, konnte durch lokale Interessen nur eingeschränkt beeinflusst werden. Im Oberrheingraben liegen die meisten Städte aufgereiht am Fuße des Schwarzwaldes. Auch wenn ein Ort die Bahn ablehnte und kein Geld für einen Bahnhof ausgeben wollte, konnte er keine Verlegung an den Gemarkungsrand erzwingen. Andererseits waren keine Umwege zu den wenigen Städten in Rheinnähe machbar. In der zweiten Phase wollten dann alle bisher noch nicht berücksichtigten Zentren an das Bahnnetz angeschlossen werden, was sich wegen der Kosten natürlich nicht durchführen ließ. Man konnte nur etappenweise vorhandene Strecken verlängern und durch abzweigende Stichstrecken ergänzen. Um staatliche Gelder locker zu machen, wurde mit der überregionalen Bedeutung des jeweiligen Streckenabschnitts argumentiert, wo immer sich eine halbwegs sinnvolle Weiterführung denken ließ. Allerdings sollten die Neubauten möglichst schnell wirtschaftlich zu betreiben sein. Auf einen später einmal zu erwartenden zusätzlichen Fernverkehr wollte man sich nicht verlassen. Das ergab leider hier und da Trassierungen, die uns aus heutiger Sicht recht kurzsichtig erscheinen. Ein gutes Beispiel dafür ist die Neckartalbahn, die in Plochingen von der Fernbahn Stuttgart- Ulm- München abzweigt.. Als sich im Jahr 1859 Reutlingen Zugang zur Welt verschaffte, erfolgte dies auf kürzestem Weg von Plochingen aus. Dabei verläuft nur der nördliche Teil im Neckartal. Ab Nürtingen geht es über die Bergrücken bei Metzingen. Die nur 10km westlich von Reutlingen am Neckar gelegene Universitätsstadt Tübingen blieb zunächst unberücksichtigt. Erst zwei Jahre später wurde die Strecke dorthin verlängert, und zwar durch ein Anhängsel, das von Reutlingen zunächst nach Stuttgart zurückzuführen scheint. 1864 wurde die Strecke dann ohne weitere Umwege von Tübingen zur Bischofsstadt Rottenburg verlängert. Bischof und Universität hatten keine Chance, gegen das Kapital von Reutlingen und Metzingen die kürzere Trasse durch das Neckartal zu erwirken. Denn das hätte zwei Stichstrecken zu den Industriestädten bedeutet. Oder man hätte ab Nürtingen zwei auseinanderlaufende Äste bauen müssen. Tübingen hätte allerdings die Neckartalstrecke bis Nürtingen auch mit Hilfe der sieben weiteren betroffenen Ortschaften nicht finanzieren können oder wollen. Der Anschluss an Reutlingen kostete nur ein Drittel. So entstand im Lauf der Jahre eine typische Lokalbahn- Zickzackstrecke. Wäre das Argument einer Fernstrecke Stuttgart- Schweiz über den lokalen Interessen gestanden, hätte Württemberg vielleicht die kürzere Talstecke festgelegt und finanziell unterstützt. Diese ist weiter unten in Bild 2 blau dargestellt, zusammen mit weiteren Varianten, auf die noch eingegangen wird.
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Bild 1: Bis 1865 in Baden, Württemberg und der Schweiz
fertiggestellte Bahnstrecken (blaue Jahreszahlen). Gepunktet mit violetten
Jahreszahlen: 1865 bis 1870 |
Bild 1 zeigt die bis zum Jahr 1865 in Südwestdeutschland fertiggestellten Bahnlinien. Man erkennt einen Rahmen von Nord-Süd- und West-Ost- Hauptstrecken, die Südbaden, Südwürttemberg und damals auch Hohenzollern umschließen. Während in anderen deutschen Ländern, insbesondere in Preußen und Sachsen, ein Raster von Fernstrecken entstand, ist auf dieser Karte noch nichts derartiges zu erahnen. Das Jahr 1865 wurde gewählt, weil Baden mit dem Bau der Schwarzwaldbahn begann. Dies veranlasste auch Württemberg, sich um die Planung weiterer Fernstrecken zu kümmern. Man beschränkte sich aber auf die beschleunigte Verlängerung der Neckartalstrecke nach Süden. Auf diese wegen des engen, windungsreichen Tals sicher nicht gerade billige Trasse hätten die kleinen Städte Horb, Sulz, Oberndorf und Rottweil sonst vielleicht noch länger warten müssen. So wurde eine Lokalbahn zur Fernbahn umdefiniert, behielt aber ihre bremsenden Nachteile. Die badische Gebirgsstrecke verlangte in ihrem mittleren Abschnitt bei Triberg eine lange Bauzeit. Schon vor ihrer Fertigstellung gelang es sogar mit zwei württembergischen Strecken in den westlichen Bodenseeraum vorzustoßen: Die letzten Lücken wurden 1870 zwischen Tuttlingen und dem badischen Immendingen, und auf der Strecke von Ulm nördlich Stockach geschlossen. Beide sind in Bild 1 violett dargestellt. 1870 war der südliche Teil der Schwarzwaldbahn von der Donau zum Bodensee schon fertig. Es ergab sich also eine Reisemöglichkeit von Stuttgart Richtung Schweiz, wenn auch mit vielen Umwegen und mehrmaligem Umsteigen. Wenn man die Verbindungen Karlsruhe- Basel (links) und Stuttgart- Zürich (in der Kartenmitte) vergleicht, wird der Unterschied zwischen einer echten, auch durch die Topographie begünstigten Fernstrecke, und einer aus Lokalbahnstücken entstandenen deutlich. |
Bild 6: Versuch einer Gesamtplanung |
Obiges Sammelsurium von topographisch möglichen Streckenvarianten eignet sich selbstverständlich nicht für ein alternatives Gesamtnetz. Wenn man jeweils die für sich allein betrachtet optimalen Varianten kombiniert, stellt man fest, dass das Gesamtergebnis nicht so gut wie erhofft ist. Auch wurde in den bisherigen Kapiteln der Nordwesten des Kartenausschnitts unbeachtet gelassen. Dieser muss aber bei einem Gesamtnetz sinnvoll integriert werden. Weshalb mir momentan ein Raster wie in Bild 6 gefällt, ist nicht rein ingenieursmäßig zu begründen. Es liegt vielleicht eher daran, dass meine geliebte Schwarzwaldbahn hineinpasst. Außerdem macht die Verbindung Stuttgart- Zürich das beste aus den topographischen Verhältnissen, indem sie die Ballungsräume Reutlingen/ Tübingen und Villingen/ Schwenningen/ Rottweil einbezieht. Diese waren damals wichtiger als Böblingen/ Sindelfingen und Tuttlingen, die hier außen vor bleiben mussten. Die südliche Fernstrecke München- Basel und -Zürich durfte natürlich auch nicht fehlen, obwohl sie den Nachteil hat, keine weiteren Ballungsräume zu berühren. Immerhin könnten einige Fernzüge den erträglichen Umweg über Friedrichshafen nehmen. Das war ein zusätzliches Argument für die Wahl der Diagonale Sigmaringen- Friedrichshafen. Es fällt allerdings auch mir schwer, mir Pfullendorf oder Ostrach als Bahnknotenpunkt wichtiger Fernstrecken vorzustellen. Aber so etwas wäre zu der Zeit kein Einzelfall gewesen. Ein Beispiel ist Kreiensen im Leinetal. Statt die Südost- Nordwest Diagonale wie in Bild 4 von Sigmaringen nach Reutlingen und Stuttgart zu führen, wurde sie hier durch das Nagoldtal nach Pforzheim und Karlsruhe verlängert. Die Fahrt nach Österreich (Vorarlberg) wäre erheblich kürzer als, wie gegenwärtig, über Stuttgart- Ulm- Friedrichshafen. Leider hat diese Trasse bei Horb und zwischen Neckar und Balingen eine Problemzone. Auch das Nagoldtal erfüllt nicht überall die Wünche einer Fernbahn. Die in Bild 6 grün skizzierte Linie wäre also langsamer oder viel teurer als die hellblauen Linien. Das gilt ganz besonders auch für die in Bild 6 grün unterbrochen angedeutete Diagonale Stuttgart- Freudenstadt- Freiburg, eine weiter nördlich gelegene Alternative zu den im Bild 3 gezeichneten Vorschlägen. Sie schien mir hier besser in das Raster zu passen, denn sie würde Nagold und Freudenstadt einbeziehen. Aber auch ohne diese wohl zu teure Strecke wäre Basel über die dunkelblaue Strecke gut zu erreichen. Lediglich Freiburg wäre im Abseits. |