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Zweihundert Kilometer pro Stunde nach FahrplanTeil 13: 200km/h mit mehr als zwei Treibradsätzen Liebe Leser! Es ist ein Jammer: Jetzt haben wir Unterlagen im Überfluss, so dass wir Ihnen viele Monate lang besonders interessante Ideen und Detailvorschläge bringen könnten. In jedem Heft und im gewohnten Umfang. Aber es soll leider nicht sein. Auf der ersten Seite dieses Heftes haben Sie lesen müssen, dass unser Verlag verkauft worden ist. Der Käufer hat in seinem breiten Verlagsspektrum bereits eine Eisenbahn- Zeitschrift. Wir hatten gehofft, dass die Redaktionen zusammengeführt würden, mussten nun aber zur Kenntnis nehmen, dass wir in eine Zeitschrift über Privatautomobile, Reise- Omnibusse und die geplanten Autobahnen umgewandelt werden sollen. Die neuen nationalsozialistischen Regierungsstellen haben dies verfügt. Auch der Inhalt unserer bisherigen Konkurrenz- Zeitschrift soll sich, weg von der Technik, hin zu einem parteikonformen Blatt über Bahnreisen, Kuren und Massenerholung wandeln. Sie fragen nun sicher, wie wir in den Besitz der Unterlagen des 200km/h- Arbeitskreises gelangt sind. Zunächst: Es sind nicht die Originalskizzen der Teilnehmer, die bei diesen wohl jetzt getrennt in den Schubladen verstauben. Es sind die Protokolle und Skizzen, die unser ehemaliger Zeichner während der letzten Sitzungen erstellt hat, und viele Zeichnungen aus seiner Freizeitbeschäftigung. Angeregt durch die Ergebnisse der Besprechungen, aber auch weiterführend mit neuen Ideen, die wegen der Auflösung des Arbeitskreises garnicht mehr zur Sprache kamen. Einige Tage, bevor er mit seinen jüdischen Eltern das Land für immer verlassen hat, bot er uns seine Sammlung an. Damit es seine Ordnung hat, mussten wir einen kleinen Kaufpreis zahlen. Im Kaufvertrag ist auch festgelegt, dass wir damit alle Rechte zur Veröffentlichung erhalten. Wo andere Arbeitskreis- Mitarbeiter Vorrechte geltend machen können, hat er sorgsam markiert. Für deren Patentanmeldung in Frage kommende Details hat er heraus geschnitten und verbrannt. Einige Blätter erinnern daher an einen Schweizer- Käse. Wir möchten, bevor wir noch einige Entwürfe und Überlegungen bringen, daran erinnern, dass bis einschließlich Teil 7 immer von Varianten mit drei Treibachsen die Rede gewesen ist. Dann wurde klar, dass es wegen der großen Treibräder sehr schwierig, wenn nicht gar unmöglich werden würde, alle Komponenten in die Länge zusammen zu quetschen, die von der 23m− Drehscheibe vorgegeben war. So hatte man sich notgedrungen auf zwei Treibachsen und entsprechend reduzierte Zuggewichte zurückziehen müssen. Um die Einsatzmöglichkeiten zu verbessern, waren verschiedene Hilfsantriebe untersucht worden, die jedoch ebenfalls wieder Platz und Gewicht benötigen. Da sahen nun die ersten Entwürfe doch nicht mehr so abwegig aus. Wenn schon kompliziert und schwer, dann doch lieber für drei (oder gar vier?) Treibachsen. |
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Wohin mit Kohlen- und Wasservorrat? Aber das wichtigste Ausschlusskriterium: Wo ein guter Aschkasten und der "Hängebauch-" Kohlenkasten plaziert wären, hätte man keine Laufachsen anordnen können. Die dort skizzierte Achsanordnung hätte nur einen leichten Kessel tragen können, in keiner Weise angemessen für die Leistung, die man mit drei Treibachsen auf das Gleis bringen könnte. Im Grunde hatte die damals in Bild 1 gezeigte Varante mit drei 3m− Treibradsätzen nur als abschreckendes Beispiel wirken sollen, um den Weg zur direkt darunter in Bild 2 präsentierten Lokomotive mit zwei Treibachsen zu ebnen. Bei dieser konnte der Kohlenkasten, wie bei Tenderloks üblich, am Heck untergebracht werden. Schon damals sollte der Wasservorrat in einen normal gekuppelten Wagen ausgelagert werden, den man vor Befahren der Drehscheibe abhängen kann. Normale Tender können nur in der Werkstatt getrennt und mit der Lok verbunden werden, wegen der speziellen Kurzkupplung mit starken Federkräften auf die Puffer. Ein Wasserwagen könnte vom Heizer oder einem Rangierer wie ein normaler Wagen gekuppelt werden, wobei lediglich einige zusätzliche Panzerschläuche für Wasser Hin- und Rücklauf zu verbinden Wären. Nach dem Drehen kann die Lok von der anderen Seite heranfahren und ihn wieder aufnehmen. Drehscheiben dienen auch als Zufahrt zu Rundschuppen, damit die teuren Objekte nicht im Freien abgestellt und gepflegt werden müssen. Einem Wasserwagen kann das eher zugemutet werden.
Die damals angedachten Lokomotiv- Varianten hatten allerdings garkeinen Wasserbehälter mehr an Bord. Das ist aus Sicherheitsgründen aber nicht zulässig. Ein Kessel, der befeuert wird, muss jederzeit mit Wasser nachgefüllt werden können. Ein Behälter von einigen Kubikmetern Volumen muss an den Pumpen angeschlossen bleiben, muss sich also auf der Lok befinden. Wie verhält es sich aber mit den Kohlen? Müssen die überhaupt an Bord sein? Man hatte nie darüber nachgedacht, wohl auch, weil es sich nur um rund zehn Tonnen und relativ wenig Volumen handelte. Jetzt ging es aber gerade um dieses Gewicht und die fehlende Länge von etwa 1,5m, um eine unverkrampfte Unterbringung eines großen Kessels hinter drei Treibachsen trotz der Beschränkung durch die 23m− Drehscheibe zu erlauben. Ein normaler Kohlentender bietet die Kohlen nur am vorderen Ende. Er könnte also nicht einfach abgestellt werden, sondern müsste ebenfalls gedreht werden, was eine lästige Rangiererei bedeuten würde. Aber was spricht dagegen, ihn so zu bauen, dass die Kohlen an beiden Enden entnommen werden können? Für die großen, neuen Lokomotiven werden ohnehin gerade, auch bei normalen Tendern, Vorschub- Einrichtungen, Schieber, Liftklappen usw. erprobt. Soweit muss man aber nicht unbedingt gehen. In der Praxis werden Schnellzugloks meistens so eingesetzt, dass sie abends wieder dorthin zurückfahren, wo sie stationiert sind. Im Idealfall haben sie morgens Kohlen für die gesamte Fahrstrecke und füllen unterwegs nur Wasser nach. Je höher die Fahrgeschwindigkeit, desto weniger macht sich das Zusatzgewicht der eigentlich für die Teilstrecke noch gar nicht benötigten, "spazierengefahrenen", Kohlen anteilig bemerkbar, weil die meiste Lokomotiv- Leistung zur Überwindung des Luftwiderstandes gebraucht wird. Werden künftige Tender mit Wälzlagern anstelle von Gleitlagern ausgerüstet, gilt dies noch deutlicher. Gewünscht ist ein Wagen auf zwei dreiachsigen Drehgestellen, der in der Mitte einen Wasserbehälter von z.B. 40m³ trägt, und an beiden Enden übliche Kohlenkästen. Konstruktionsarbeit wäre aufzubringen für die Ausbildung der Faltenbälge und Wagenkupplungen, die ja gleichermaßen auf den Abschluss des Führerhauses (hier besser "Heizerhaus"), wie auf die Personenwagen passen müssen. Für die Hochgeschwindigkeit sind die Kohlenkästen mit Stromlinien- Abdeckklappen versehen. Solche Tender können also, wie die reinen Wassertender, im Freien abgestellt werden, während die Lokomotive über die Drehscheibe in den Schuppen fährt. Der im Bild dargestellte Kohlen- und Wasserwagen hat an den vier Ecken Türen, damit die Faltenbälge und die von ihnen eingerahmten Klappen von innen, ähnlich wie bei einem D− Zug- Wagen, versorgt werden können. Auch Reinigung und Service von Kohlen- Fördereinrichtungen sind hier von der Seite aus möglich. Zweischen zwei Türen ist allerdings kein Durchgang, weil die Kohlenkästen bis an den Faltenbalg reichen. So finden die Heizer bei angehängtem Wasser/Kohlenwagen etwa dieselbe Distanz zwischen Kohle und Feuertür vor, wie bei anderen Einheitsloks.
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Aufteilung und Fahrwerk der Lokomotive Ein langer Wagen auf zwei Drehgestellen hat ruhigere Fahreigenschaften als zwei halb so lange, gekuppelte Wagen. Der schwerere, hintere Lokteil mit dem Kessel sollte wie ein Drehgestellwagen eingebunden werden, was jedoch nur teilweise gelang, wiederum wegen der Längenprobleme. So lasten 4/5 seines Gewichtes auf dem vierachsigen hinteren Drehgestell und nur 1/5 auf dem Vorderwagen. Der Hebelarm vom Schwerpunkt zum vorderen Auflagepunkt ist jedoch so lang, dass keine Knickschwingungen auftreten, und der Hinterwagen sanft in die Kurven eingedreht wird. Beim Vorderwagen greifen die Kräfte des Hinterwagens so nahe beim Schwerpunkt an, dass sein Kurvenlauf nur wenig beeinflusst wird. Die Fahreigenschaften der 2'C1'− Vorderlok können also in bekannter Weise optimiert werden. Eine andere Betrachtungsweise, die ebenfalls auf unkritisches Verhalten einer solchen Aufteilung hinweist: Eine Zugmaschine mit Zughaken weit vor ihren hinteren Rädern, und ein Einachs- Anhänger mit langer Deichsel. Wobei dessen eine Achse für die Seitenführung des hinteren Drehgestells steht. Noch einige Bemerkungen zum Verständnis der Skizze: Die sichtbaren Zylinder am Ende der Vorderlok, deren Treibstangen auf eine Blindwelle arbeiten, sind die Niederdruck- Zylinder. Auch die Laufachse dahinter, in einem Bisselgestell, gehört noch zur Vorderlok, um deren Eigenschaften bei Rückwärtsfahrt zu verbessern. Die Hochdruckzylinder liegen innen vor dem Führerhaus, wie wir im nächsten Heft detaillierter darstellen werden. Hier dazu nur soviel: Innenzylinder sind unbeliebt, wenn sie unter Kessel oder Rauchkammer unzugänglich versteckt sind. Aus der Not, den Kessel hinter dem Antrieb anordnen zu müssen, wird hier eine Tugend: Die Innenzylinder mit deren gesamten Steuerungsteilen sind im "Maschinenraum" frei zugänglich, teils sogar bei voller Fahrt, nur durch Schutzgitter abgetrennt. Ganz vorne im Bug sind unten einige schwere Komponenten, z.B. die Luftpumpe, untergebracht, und darüber hinter einer Klappe der Wassereinlauf für einen 10m³− Wasserdank. Dieser darf ja wegen der Krane in den Bahnhöfen nur 3m hoch liegen, was an allen anderen Stellen der Lok stören würde. Einige Bemerkungen für diejenigen, die einen Frontführerstand vermissen: Solange das Sichtfeld nicht wesentlich eingeschränkt wird, bringt eine Rückverlegung des Führerhauses durchaus Vorteile. Schnellzug- Dampflokomotiven müssen vorne nur selten an Wagen herangefahren werden, so dass der Blick direkt vor den Bug unwichtig ist. Bei einer E- Lok, die ja kein Vorne und Hinten kennt, ist das ganz anders. Mit solchen Führerständen direkt über den Puffern sammelt man jetzt erst Erfahrungen bei niedrigeren Geschwindigkeiten. Für 200km/h müssten zumindest die Scheibenwischer weiterentwickelt werden, mit unsicheren Erfolgsaussichten. Es bleibt jedenfalls das Gefahrenpotential bei einem Unwetter. Herumwirbelnde Baumäste, Dachziegel usw. sind bei Höchstgeschwindigkeit lebensgefährlich. Die Durchschlagsenergie steigt mit dem Quadrat der Relativgeschwindigkeit. Was auch unterschätzt wird: Eiszapfen, die von Brücken fallen, und Eisbrocken von den Dächern entgegenkommender Güterwagen. Ein Lokführer ist hinter den senkrechten, seitlichen Sehschlitzen mit Zentimeter- dickem Glas wesentlich sicherer und hat bei schlechtem Wetter wegen der Stauwirkung bessere Sicht. Für Starkregen sind die kleinen, rotierenden Scheibenwischer unübertroffen. Das dargestellte Führerhaus hat daher links und rechts die üblichen Stehplätze mit Sicht nach vorne durch die schmalen, ovalen Fenster, mehr hoch als breit. Nach oben schließen sich Fenster ähnlicher Proportionen an, jedoch fast horizontal, dem Dachprofil folgend. Dahinter befindet sich ein höhenverstellbarer Sitz für längere unproblematische Fahrstrecken. Ein weiterer Vorteil der Anordnung des Führerhauses in der Mitte der Vorderlok: Nur hier kann die volle Breite des Lichtraumprofils ausgenutzt werden. Wegen der Kurven muss selbst der Außenzylinder schon einige Zentimeter nach innen versetzt sein. Am Seitenfenster eines schmaleren Frontführerstandes müsste sich der Lokführer weit aus dem Fenster lehnen, um an einem am geraden Bahnsteig stehenden Zug entlangschauen zu können. Weil diese Lokomotive vorne keine seitlich herausstehenden Zylinder hat, kann die Außenschale vor dem Führerhaus spitz zulaufen, so dass die abgerundete Frontfläche schmaler als der Pufferabstand sein kann. Weil so dem Fahrtwind mehr Zeit gegeben wird, sich zu teilen, ist der Luftwiderstand deutlich reduziert gegenüber einer ähnlichen Bugform, die schon 2m hinter den Puffern die zulässige Breite erreicht. Fortsetzung: 13.2. Beschreibung einiger Details |