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Zweihundert Kilometer pro Stunde nach FahrplanTeil 1. Neuer Arbeitskreises dieses Namens zur Förderung des Hochgeschwindigkeisverkehrs Teil 1.1 : Einleitung
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In roter Schrift: Bemerkungen aus heutiger Sicht und historische Daten. Alles andere Fiction! |
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Dank der guten Verbindungen, die unsere Redaktion mit führenden Konstruktionsingenieuren weltbekannter Lokomotivhersteller aus dem deutschsprachigen Raum pflegt, ist es uns erlaubt, als erste und einzige von der Gründung eines neuen Arbeiskreises zu berichten. 200 km/Stunde nach Fahrplan, das ist Name und Ziel dieser lockeren, wechselnd besetzten und unregelmäßig zusammentreffenden Vereinigung von Ingenieuren. Das soll kein Fernziel sein, sondern ein Ziel, das sich zügig realisieren lässt. Die Mitglieder des Arbeitskreises sind der Meinung, dass alle erforderlichen technischen Grundlagen bekannt sind, und die meisten Komponenten auch schon an serienmäßigen Lokomotiven erprobt sind. Man müsse sie nur noch zu einem neuen Konzept geschickt kombinieren. Dabei geht es dem Arbeitskreis nicht um Rekordfahrten. Dass dabei schon in wenigen Jahren die magische 200 km/St.- Grenze durchbrochen sein wird, daran zweifelt niemand. Um Geschwindigkeits- Rekorde ist es in letzter Zeit zwar etwas ruhiger geworden, das liegt aber daran, dass in Amerika und England die magische Grenze bei 100- Meilen pro Stunde , also 161 km/St. lag, und diese nun schon mehrfach überschritten wurde. In England ist man inzwischen bei 181 km/St. angekommen. Von den zweifelhaften Werten amerikanischer Rekordfahrten wollen wir hier nicht reden. Immerhin sind die Ingenieure beeindruckt, mit welch schweren Zügen in Amerika Rekordfahrten durchgeführt wurden. Dazu meinte ein von der offiziellen Entwicklungsrichtung in Deutschland enttäuschter Teilnehmer, man könne bei den französischen und amerikanischen Dampfloks viele neue Konzepte bewundern, während hier nur die traditionelle Schnellzuglokomotive durch Anwendung von Stromlinien- Verkleidungen und Erhöhung der Leistung weiterentwickelt werde. Das trifft in der Tat auf die Projekte für 175 km/St Spitzengeschwindigkeit zu. Von diesen erscheint uns die oben in Bild 2 skizzierte Borsig- Lokomotive durchaus mit den englischen Rekordloks konkurrenzfähig zu sein. Sie soll mit einem 250- Tonnen- Zug 160 km/St. fahren und kurzzeitig auch 175 km/St. Bei wenig Last könnte sie auch wohl 200 km/St. erreichen, würde dabei aber die erlaubte Drehzahlgrenze überschreiten. Am 11.Mai 1936 brachte die BR05 einen 200- Tonnen- Zug auf knapp über 200 km/h// |
Der neue Arbeitskreis hat sich das Ziel gesetzt, eine Lokomotive zu entwickeln, die einen Schnellzug von 300 Tonnen Gewicht auf 200 km/St bringen und über längere Strecken auf ähnlich hohen Geschwindigkeiten halten kann. Dazu müssen die eingetretenen Pfade verlassen werden, will man nicht zu einer riesigen, schweren, wahrscheinlich auch sehr störungsanfälligen Lokomotive kommen, die nur wenige leichte Wagen so schnell ziehen kann. Selbstverständlich müssen auch die Wagen, Strecken und Bahnhöfe weiterentwickelt werden. Man geht davon aus, dass bei Vorliegen eines fundierten Konzeptes für die Lokomotive weitere Arbeitskreise gegründet werden. Dann könnten schon in zwei bis drei Jahren zum Beispiel zwischen Berlin und Hamburg die ersten Schnellzüge mit Tempo 200 fahren. Jedermann käme in den Genuss schneller Beförderung, nicht nur eine kleine Elite in den erster- Klasse- Schnelltriebwagen. Übrigens ist sich der Arbeitskreis durchaus bewusst, dass sich das gesetzte Ziel auch mit weiterentwickeltem Verbrennungsmotor- oder Elektromotor- Antrieb wird erreichen lassen. Gegen ersteres spricht bis auf weiteres die schlechte Verfügbarkeit des Treibstoffs. Weil Deutschland nur wenig eigenes Erdöl besitzt, und der Import ein Politikum ist, bleibt nur die Hoffnung auf bessere Zeiten. Der Elektroantrieb hat langfristig die besten Chancen, wie ja auch die ersten Rekordfahrten über 200 km/St. mit Drehstromtriebwagen erreicht wurden. Gegen Hochgeschwindigkeits- Elektrolokomotiven spricht in erster Linie das ungelöste Problem der sicheren und langlebigen Stromabnehmer. Aber auch die Wirtschaftlichkeit unter Berücksichtigung der teuren Strecken- Elektrisierung und der recht schlechten Wirkungsgrad aufweisenden Kohlekraftwerke. Denn in den Gegenden, wo es genügend Wasserkraftwerke gibt, sind Strecken für höhere Geschwindigkeiten selten. |