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Eisenbahn ab Epoche 1

Eisenbahn ab Epoche 2 :

 

   Einführende Seiten :
      Histofiction, Science-Fiction
      Historischer Hintergrund 1930...
      Fictive Artikelreihe aus
         einer Fachzeitung

   Arbeitskreis 200 km pro Stunde
            nach Fahrplan

 

      Ein neuer Arbeitskreis von
         Lokomotivkonstrukteuren
      zugrundegelegter Fortschritt
      Raddurchmesser und Fahrwerk
      Variante mit Antrieb im Tender
      Langkessel bei 3m-Rädern
      Stehkessel und Feuerung
      Angetriebenes Frontdrehgestell
      Beschleunigtes Anfahren
      Varianten mit Hilfsantrieb
      Zwei Treibachsen vorne +Hilfsantrieb
      Leichte Version mit 2 Treibachsen
      Hochgeschwindigkeits- Booster
      200km/h mit mehr als 2 Treibachsen

   Eine Lokomotivkonstruktion
         zur Diskussion
      Einleitung

 

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Rote Schrift: Aus heutiger Sicht. Schwarze Schrift: Fiktion

Zweihundert Kilometer pro Stunde nach Fahrplan

Teil 12: Booster für mehr als 70km/h
 
12.1. 200km/h- Booster ohne Trennkupplung
12.2. Hochgeschwindigkeits- Booster- Varianten mit Kupplung
12.3. Booster- Lokomotiven mit umgedrehtem Kessel
12.4. Variante mit Booster- Leerlauf- Hubreduzierung

Es war vorhersehbar, nun ist es geschehen: Der Arbeitskreis hat sich aufgelöst. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Mitglieder ihre Anonymität verlieren würden, war zu groß geworden. Es hatte gar kein Treffen mehr stattgefunden. Man vertraute nur noch dem Briefgeheimnis, und versprach, in Kontakt zu bleiben.

Einigen war die Anonymität unter ihrer Würde gewesen. Oder sie hatten keine beruflichen Nachteile zu befürchten, weil sie z.B. schon im Ruhestand waren. Unter ihnen war ein bekannter Erfinder, der von den Lizenzen seiner Patente lebt. Er verfasste nun einen Brief, der an alle bei der Neukonstruktion von Lokomotiven offiziell beteiligten zentralen Stellen verteilt wurde. Weil er mit allen deutschen Lokomotivherstellern gute Kontakte hatte, gelang es ihm, die Unterschriften aller Firmenleitungen unter seinem Brief zu sammeln.

Hier eine gekürzte Fassung dieses Briefes. Die Absätze, in denen die Entstehungsgeschichte des Arbeitskreises "200km/h nach Fahrplan", sein Sinn und Ziel, zusammengefasst sind, lassen wir weg.

"Wir, die unterzeichnenden Lokomotivhersteller, unterstützen diese Bestrebungen und halten die Entwicklung einer solchen Lokomotive für zeitgemäß, um nicht zu sagen überfällig. Die Technikgeschichte zeigt, dass man immer Versuchsträger braucht, die der Zeit um etwa zehn Jahre voraus sind. Wenn man mit dem Lokomotiv- Fortschritt wartet, bis geeignete Hochgeschwindigkeits- Strecken zur Verfügung stehen, wenn für deren Ertüchtigung aber kein Geld ausgegeben wird, mit der Begründung, dass es dafür keine Fahrzeuge gäbe, dann werden wir auch in zwanzig Jahren nur wenige Züge mit über 100km/h Durchschnittsgeschwindigkeit im Fahrplan haben.

Deshalb empfehlen wir, dass ein Versuchsträger in Form einer 200km/h- Dampflokomotive eingeplant wird. Möglichst bald sollte eine Ausschreibung an alle deutschen Hersteller gehen, wobei die Rahmenbedingungen nicht zu eng spezifiziert sein sollten. Nicht nur der Arbeitskreis hat Ideen gesammelt. Auch in jeder unserer Konstruktionsabteilungen liegen Zeichnungen und Berechnungen in der Schublade und warten darauf, in die Tat umgesetzt zu werden. Im Folgenden ein Vorschlag zu einer Versuchslokomotive, bei der viele Neuheiten ausprobiert werden können, ohne dass man physikalisches oder technologisches Neuland betreten müsste. Es sind lediglich neue Ausbildungen und unübliche Anordnungen bewährter Dampflokomotiv- Technik. In jeder der letzten Versuchsloks, als da sind Turbinen- Höchstdruck- Kohlenstaub- oder Kondenslokomotiven, waren beim Start mehr Unwägbarkeiten enthalten gewesen, als beim zaghaften Vortasten von den 175km/h der derzeit in Erprobung befindlichen Schnellfahrloks auf echte 200km/h Höchstgeschwindigkeit."

 

                  

 


 

 
 
               
 

Mit der nun folgenden Beschreibung verlassen wir den Brief, der nicht sehr ins Detail geht und stattdessen viel Allgemeines bringt. Das würde unsere Leser langweilen, war aber wohl für die Nicht- Fachleute in Finanz- und Verwaltungsstellen gedacht.

Auf die vordere Lokomotivhälfte brauchen wir kaum einzugehen, weil sie mit der im letzten Kapitel beschriebenen weitgehend identisch ist. Allerdings in der dort kurz erwähnten, aber nicht abgebildeten Ausführung mit Drehgestell in der Mitte. Diese bietet mehr Optimierungs- Freiheiten, hat aber ein höheres Gewicht. Durch Ersatz des Frontführerstandes durch ein fast der Einheitsbauart entsprechendes Führerhaus wurde eine Fernsteuerung eingespart. Der freiwerdende Platz in der Mitte über dem führenden Drehgestell trägt nun den bis zu 7m³ fassenden Notfall- Wasserrbehälter. Dort kann dieser direkt auf dem Rahmen ruhen, während andere übliche Plätze schwere Tragwerke erfordern. Hinten, unter den Kohlen, könnten ebenso elegant 3m³ untergebracht werden, aber nur, wenn die zusätzlichen 3t dort noch getragen werden können, was eher unwahrscheinlich ist.

Das Führerhaus wurde bis an die Umgrenzungslinie hochgelegt. Trotzdem gibt es eine Stehhöhe von 2m nur außerhalb der Räder. In der Mitte ist der Fußboden höher. Hier gibt es nach dem Vorbild amerikanischer Loks einen bequemen Drehsitz, der in der Höhe so eingestellt werden kann, dass optimaler Blick nach vorne, und neben den Schornsteinen auch nach hinten gegeben ist. Zur Verringerung des Luftwiderstandes dürfen alle Fenster nach vorne und hinten nur schmal sein. Große Fenster eines Frontführerstandes, wie bei E− Loks oder Triebwagen, sind übrigens gar nicht so beliebt. Sie sind weniger Schlechtwetter- tauglich als die bewährten Drehfenster, die von tiefen Blendschutz- und Windstau- Manschetten umgeben sind. Letztere sind auch besser gegen Beschädigung durch Baumäste, Hagel, Eiszapfen usw. geschützt, die mit der Erhöhung der Fahrgeschwindigkeit immer gefährlicher werden.

Bei der hinteren Lokomotiv- Hälfte wird unseren Lesen sofort aufgefallen sein, dass keine Verbrennungskammer eingezeichnet ist. Das hatte in unserer Redaktion einige spöttische Bemerkungen zur Folge wie: "Sehr rücksichtsvoll! Es ist ja bekannt, dass es maßgebliche Personen gibt, die sich Entwürfe mit Rauchkammer garnicht erst anschauen."

Insgesamt ist diese Lok wieder etwas höher gebaut. Der Kessel liegt wieder fast auf üblicher Höhe. Sein Durchmesser wurde auf 2200mm innen an der engsten Stelle verkleinert. Der Grund war, dass der Rost höher liegen muss, und trotzdem bis zum gemauerten Feuergewölbe noch eine ausreichende Feuerhöhe gegeben sein muss.

Aber nun zum interessantesten Detail dieses Vorschlags. Das hintere, dreiachsige Drehgestell hat einen Antrieb erhalten. Ein vollwertiges Dreizylinder- Triebwerk, allerdings mit kleinem Zylinder- Durchmesser und kleinem Kolbenhub. Es soll etwa ein Drittel der Zugkraft des Haupttriebwerkes erreichen. Die halbe Zugkraft wäre nur möglich gewesen, wenn die Radsatzlast ebenfalls 20t betragen würde. Weil der Treibradsatz beim Rückwärtsfahren jedoch führender Radsatz ist, wollte man ihm nur 15t Radsatzlast zumuten. Der mittlere Drehgestell- Radsatz lastet mit 20t, der kleine vordere mit 16t auf dem Gleis. Das Drehgestell kann also etwas weniger tragen und ist zudem wegen der Zylinder selber schwerer. Auch das war ein Grund, den Kessel zu verkleinern.

Warum wird das hintere Triebwerk als Hilfsantrieb bezeichnet, hier zu Recht auch mit dem in Amerika üblichen Wort Booster (=Nachschieber) bezeichnet? Im Gegensatz zu den Anfahrboostern mit kleinen Rädern muss dieser hier nicht ab einer gewissen Geschwindigkeit ausgekuppelt werden. Er wurde daraufhin optimiert, immer mitlaufen zu können. Kleine hin- und hergehenden Massen, durch drei im gleichen Winkel angeordnete Zylinder sehr gut ausgeglichen. Große Überströmkanäle für den Leerlauf, aber auch, bei kleinen Zylindern fast automatisch, relativ große schädliche Räume. Alles das erlaubt eine höhere Drehzahl als beim Hauptantrieb. Daher können die Räder kleiner sein, hier 2400mm Durchmesser. Warum will man also diesen Antrieb nicht immer mitarbeiten lassen?

Der Grund ist nur sein schlechterer Wirkungsgrad. Erstens sind kleinere Zylinder von Haus aus schlechter, weil sie viel Oberfläche aber wenig Volumen haben. Das bedeutet, dass sich Abkühlungs- und Kondensationsverluste stärker auswirken. Zweitens macht die Anordnung beim Kohlenkasten -Ein anderer Platz für den großen Treibradsatz konnte nicht gefunden werden − am Ende der Lok eine sehr lange Dampfzuführung erforderlich. Noch dazu mit einem beweglichen Zwischenstück zum Drehgestell.

Der Druckabfall in der langen Zuleitung wird teilweise ausgeglichen durch den Wegfall einer Abdampfleitung. Der Dampf strömt am Ende des Drehgestells ins Freie. Er geht so allerdings auch der Saugzuganlage verloren. Man wird den Booster also nur dann unter Dampf setzen, wenn seine Zugkraft wirklich benötigt wird, weil das Haupttriebwerk schon an der Haftungsgrenze ist.

 

Bisher wurden Booster hauptsächlich zum Anfahren schwerer Züge eingesetzt, weil die Haftreibung aller Gleitlager im Stand größer als die Gleitreibung bei niedrigen Geschwindigkeiten ist. Einmal in Fahrt, konnten sie eine etwas höhere Beschleunigung bringen, wobei der Vorteil mit steigender Geschwindigkeit wegen des schlechten Wirkungsgrades immer mehr abnahm. Die kritische Geschwindigkeit, oberhalb derer die Kesselleistung maßgeblich wird, ist mit Booster niedriger als ohne. Bei einer Hochgeschwindigkeitslok gehorcht der Einsatz ganz anderen Regeln, was dem Arbeitskreis anfangs nicht so klar war. Bis man alles einzeln durchgerechnet hatte.

In Bahnhöfen mit langsamer Ausfahrt, z.B. über das ausgedehnte Vorfeld von Kopfbahnhöfen, reicht der Hauptantrieb. Denn der Zug ist ja relativ leicht und hat nur wenige Wagen, damit er von der notgedrungen beschränkten Kesselleistung überhaupt mit 200km/h gezogen werden kann. Geht es bei der Ausfahrt jedoch gleich richtig zur Sache, oder folgt gleich die ruppige Steigung einer Überwerfung, wird offensichtlich, dass die Beschleunigung durch die Haftung der zwei Treibachsen des Haupttriebwerkes beschränkt ist. Dann, und nur dann, ist der Booster auch unter 30km/h hilfreich.

Nach alten Lehrbüchern hängt die Schleudergefahr (das Durchdrehen der Räder, wenn mehr Zugkraft benötigt wird, als die Haftung erlaubt) nur vom Reibungsgewicht und dem Schienenzustand ab. Nasse, glitschige Schienen erfordern viel Sand, um einigermaßen Haftung zu bieten. Nach den alten Regeln war also bei Schnellzuglokomotiven nur das Anfahren kritisch. Sie waren nicht, wie einige S−Bahn- Lokomotiven, hinsichtlich Beschleunigung optimiert, sondern sollten wirtschaftlich schnell fahren. Dabei war die Haftungsgrenze bei gutem Wetter und in der Ebene kein Thema. Bei steigender Geschwindigkeiten kommt dann irgendwann der Punkt, wo der Zug soviel Fahrwiderstand entwickelt, dass Reibungsgewicht mal Reibungskoeffizient zu klein dafür werden. Bei Steigungen und engen Kurven kommt man natürlich schon früher an diese Grenze. Das waren aber eher theoretische Grenzen, weil Loks, die das Anfahren schafften, dann eher an ihre Kesselgrenze stießen, als dass Schleudern beim Fahren auftrat.

Wie schon im Kapitel 11.1. erklärt, sind nun im Zusammenhang mit Elektrolokomotiven die Haftgrenzen genauer untersucht worden. Dabei hat man eine zusätzliche Abhängigkeit von der Fahrgeschwindigkeit ermittelt: Danach kann ein Radsatz, bei gegebenem Reibungsgewicht und Reibungskoeffizient, bei 50km/h nur noch 65% der Zugkraft entwickeln, ohne zu schleudern, wenn 100% die Zugkraft an der Schleudergrenze bei sehr kleiner Geschwindigkeit ist. Mit weiter steigender Geschwindigkeit sinkt die Ausnutzbarkeit nicht mehr so schnell, nämlich auf 54% bei 100km/h. Die aus den Messwerten ermittelte Kurve würde bei 200km/h 46% ergeben. Von den Zahlenwerten wollte aber niemand blind ausgehen, zumal fraglich war, ob das alles überhaupt auch für gekuppelte, große Treibräder gilt. Die Tendenz der Geschwindigkeits- Abhängigkeit wollte man allerdings vorsichtshalber berücksichtigen. Das hatte dann zu einem Umdenken bezüglich des Boosters geführt.

Die Hochgeschwindigkeits- Lokomotive hat fast über den gesamten Geschwindigkeitsbereich Kesselleistung im Überfluss. Die Zylinder sind so bemessen, dass selbst bei trockener Schiene beim Anfahren ein Schleudern möglich wäre, denn nur dann haben sie auch bei hoher Drehzahl noch eine hohe Zugkraft. Die Ausnutzbarkeit des Reibungsgewichtes sinkt mit steigender Geschwindigkeit erst schnell, dann langsamer. Ab etwa 100km/h beginnt die Kurve des Fahr- und Luftwiderstandes immer steiler zu steigen, so dass immer weniger Reserve zum Beschleunigen des Zuges bleibt. Hier wird nun der Booster hauptsächlch gebraucht: Um oberhalb von 150km/h noch deutlich beschleunigen zu können, oder oberhalb von 100km/h bei leichten Steigungen.

Hier kommt nun sicher der Einwand: Ein Triebwerk mit drei gekuppelten Treibachsen kann das alles sicher noch besser. Aber erstens ist das garnicht so sicher, bis man die Gültigkeit der Formeln, die nach Testfahrten mit sehr viel langsameren Lokomotiven erstellt wurden, auch bei 200km/h durch eine Testfahrt verifiziert hat. Zweitens stand das garnicht zur Diskussion, weil neben einem solch langen Triebwerk zu wenig Platz für den erforderlichen Kessel bleibt. Aber man soll nie "nie" sagen. Einige Unentwegte sollen immer noch daran knobeln.

Wir wollen den heutigen Bericht mit dem Schluss des oben genannten Briefes beenden: "Viele Fachleute haben sich dahingehend positioniert, dass konventionelle Antriebe mit großen Kuppelrädern und niedrigen Drehzahlen durch Einzelachsantrieb mit kleineren Rädern und hochtourigen Dampfmotoren ersetzt werden sollten. Die hier vorgeschlagene Versuchslok erlaubt das Testen der Eigenschaften eines Einzelachsantriebs und direkte Vergleiche bis zu höchsten Geschwindigkeiten mit dem konventionellen Triebwerk. Die Umrüstung des Boosters auf noch kleinere Treibräder und andere Zylinder- Dimensionierungen ist relativ einfach und kann separat vorbereitet werden. Die Versuchslok müsste nur zum Tausch des Booster- Drehgestells in die Werkstatt. Wir hoffen, Sie vom Nutzen dieser Lokomotive zur Erforschung der meisten offenen Fragen überzeugt zu haben."

Fortsetzung Teil 12.2.
 
               
 

 
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