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Zweihundert Kilometer pro Stunde nach FahrplanTeil 12: Booster für mehr als 70km/h Es gab in unserer Redaktion eine hitzige Diskussion, wie wir uns nun weiter verhalten sollten. Nachdem sich der Arbeitskreis aufgelöst hatte, wurden wir von Zuschriften überschwemmt. Das reichte von "Endlich ist Schluss mit dem Quatsch!" bis zur dringenden Bitte, die Arbeit fortzusetzen. Wir sind natürlich davon abhängig, welche Informationen wir erhalten. Wir haben zwar noch einige ältere Konzept- und Detailzeichnungen, die wir aus Platzgründen bisher nicht veröffentlichen konnten. Diese nun nachzureichen, ohne Aussicht darauf, dass sie jemals realisiert werden, erschien uns fehl am Platz. Anders wollen wir uns jedoch bei neuen Konzepten zum Thema 200km/h verhalten. Ja, die Aktivitäten gehen doch noch weiter. Unter den Zuschriften waren auch zwei sehr gehaltsvolle mit der ausdrücklichen Bitte um Veröffentlichung. Beide waren anonym, kamen jedoch offensichtlich von zwei verschiedenen Lokomotivherstellern. Beiden lag dieselbe Motivation zugrunde, die im Begleitschreiben, jeweils mit unterschiedlichen Worten, besagte: Wir haben das Anschreiben .... zwar mit unterschrieben, möchten aber darauf hinweisen, dass der von den Mitgliedern des Arbeitskreises beigelegte Konzept- Entwurf nicht ganz unseren Vorstellungen entspricht. Wir würden uns freuen, wenn sie unsere Gegenentwürfe ebenso ausführlich kommentiert bringen würden. Auf diesem Wege, den wir sonst missbilligen würden, könnte vielleicht doch ein Umdenken oder zumindest ein Stimmungswechsel bei den maßgeblichen Stellen bewirkt werden. Unsere Kollegen aus dem Wirtschaftsteil hatten in letzter Zeit immer öfter davon berichten müssen, wie unzufrieden die Lokomotiv- Industrie mit den Zuteilungspraktiken ist. Wenn sich nun eine Firma selbst bei einem technischen Thema nicht mehr traut, offen eine Meinung zu vertreten, scheinen deren Probleme mit der Reichsbahn doch noch tiefer zu gehen. Nur gut, dass die Hersteller mit ihren Export- Lokomotiven zeigen können, was sie zustande bringen. Nach Durchsicht der eingegangenen Skizzen und Kommentare mussten wir allerdings feststellen,
dass ein unsortiertes Veröffentlichen den Leser überfordern würde. Er würde recht
ratlos auf ein Konzept- Wirrwar blicken. Vordergründig geht es um die Booster, gleichzeitig aber
natürlich auch immer um das Gesamtkonzept. Um das besser auseinander zu halten, nehmen wir uns hier
zuerst Entwürfe mit normaler Kesselrichtung vor, dann solche mit umgedrehtem Kessel im nächsten Heft. |
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Welcher Booster- Raddurchmesser ist optimal? Die älteren vorgestellten Varianten von 200km/h- Loks hatten einen reinen Startantrieb mit mindestens zwei Treibachsen und unterschieden sich dadurch von den amerikanischen Loks mit einachsigen Boostern, die meist in einem Nachlauf- Drehgestell untergebracht sind. Ein weiterer Unterschied sollte die Möglichkeit sein, den Hilfsantrieb nicht nur im Stand, sondern bei jeder zulässigen Geschwindigkeit einzulegen, damit er auch beim Beschleunigen oder bei einer Steigung nach vorausgegangener Schnellfahrt genutzt werden kann. Diese Kupplung macht die Hilfsantriebe natürlich wesentlich komplizierter, so dass der Hochgeschwindigkeits- Booster des letzten Kapitels, der dies nicht benötigt, einen großen Vorteil hat. Sein Nachteil ist die schwache Wirkung bei niedrigen Geschwindigkeiten. Wenn der Hauptantrieb aber nur zwei Treibachsen hat, wünscht man sich, dass der Hilfsantrieb auf mindestens zwei gekuppelte Radsätze geht. Dann kann man den Hochgeschwindigkeitszug bei Bedarf auch über steigungsreiche Umleitungsstrecken fahren lassen. Beim Beschleunigen auf glitschigen Schienen ist das ebenfalls von großem Vorteil. Die hier folgenden Konzepte versuchen, einen Kompromiss aus beiden Extremen sinnvoll zu integrieren. Mit Zweiachsantrieb und trotzdem mit größerem Raddurchmesser, wie er sich gerade noch unterbringen lässt. |
Der nutzbare Geschwindigkeitsbereich bei Hilfsbetrieb soll bis zu einem Wert zwischen 140km/h und 170km/h erweitert werden. Dabei sind Dimensionierungs- Kompromisse zulässig, die man bei einem Hauptantrieb aus wirtschaftlichen Gründen vermeiden würde, z.B. ein kleiner als üblich gewählter Kolbenhub. Wenn ein solcher Booster bei 200km/h noch eingekuppelt wäre, würde die Kolbengeschwindigkeit 43% bzw. 18% zu hoch werden. Immerhin verzeiht eine solche Dimensionierung eine gelegentliche Fehlbedienung, wenn die Kupplung nur kurzzeitig bei zu hohen Geschwindigkeiten besteht. Alle vorkommenden Drehzahlen werden von den Lagern der Kuppelstangen dauerhaft verkraftet. Im Gegensatz zu den kleinrädrigen Hilfsantrieben, wo die Kupplungen zwischen Radsatz und den Kurbeln und Kuppelstangen liegen müsste, brauchen hier nur die Treibstangen ausgekuppelt zu werden, um die Zylinder zu schützen. Weitere Nachteile der letzten Variante: |
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Variante mit zweiachsigem Zweizylinder- Booster mit 2100mm- Rädern: Die Abdampfleitung ist statt 11m nur noch etwa 7m lang. Die Kolbenstange verhindert einen ausladenden Aschkasten, der durch den Radkasten und die Träger von Haupt- und Sub- Drehgestell noch zusätzlich eingeengt wird. Für einfache Drehzapfen ist hier kein Platz, denn ein unten über den Schwellen mindestens 1m x 1m großer Trichter muss mindestens frei bleiben. Man muss hier eine Konstruktion mit mehreren Zugstreben und Gleitstücken wählen, und mit einem Lastausgleich über die vier hinteren Achsen. |
Die Boosterzylinder sind am hinteren Hauptdrehgestell- Rahmen befestigt, müssen also Platz freilassen, damit das Subdrehgestell ausschwenken kann. Die vorgezogene Lage erfordert eine lange Stange an zusätzlichen Pendeln zur Übertragen der Steuerungsbewegungen zu den Kolbenschiebern. Denn neben dem Stehkessel möchte man keine Schwinge momtieren. Die ist vor der Tür besser aufgehoben. Aber über solche Details hat man sich wahrscheinlich noch nicht den Kopf zerbrochen. Hier ging es im Grobkonzept um die Frage: Bleibt genug Platz für den Kessel? Und das kann für die gewünschte Leistung wohl etwas knapp werden. Der umgedrehte Kessel hat da vielleicht bessere Chancen. Haben Sie sich schon über die geänderten Schornsteine gewundert? Das hat nichts mit Rückständigkeit dieser Firma zu tun. Die Überlegenheit der Kylchap- Saugzuganlage wird sich auch dorthin herumgesprochen haben. Aber nicht jeder Hersteller ist bereit, die Lizenzgebühren zu zahlen, solange man die Hoffnung hat, dass es auch ohne geht. Außerdem haben sich die Funkensiebe der Einheitsloks bei schlechter Kohle bewährt. Beim Kylchap Schornstein muss man anders sieben, was deren Vorteil auch zunichte machen kann. |
Variante mit zweiachsigem Dreizylinder- Booster mit 2100mm- Rädern: Es gibt viele Prinzipien geeigneter Trennkupplungen. Hier wurde eine etwas plumpe, grobschlächtige, dadurch aber auch robuste und leicht zu wartende Variante gewählt. Bei ihr werden zum Auskuppeln die Treibstangen auf der Kropfachse von den Bereichen mit normalem Kurbelradius in Abstellbereiche mit sehr kleinem Kurbelradius verschoben. Dazu gibt es die Aufsicht Bild 3 und den vergrößerten Ausschnitt Bild 4
Dort sieht man auch, wie die Verschiebung von einer am Rahmen befestigten (Spindel-)Apparatur auf die mit Achsdrehzahl umlaufenden Treibstangen- Lager übertragen werden kann. In Bild 2 sind diese vertikal und in/gegen Fahrtrichtung frei beweglichen Pendel rot hervorgehoben. Nur quer übertragen sie die Verstell- Kraft. Der Durchmesser der Hilfs- Treibräder ergab sich durch die 23m- Drehscheibe abzüglich der Aneinanderreihung der anderen Radsätze, Blindwelle und Zylinder zu 2100mm. Dieser lässt eine Verwendbarkeit bis 170km/h erwarten, wenn die drei Zylinder nicht zu groß dimensioniert werden. Mit etwas Quetschen und Verschieben hätten auch größere gepasst, allerdings wären dann die Radhäuser in Rauchkammer und Führerhaus störend geworden. Um die Radreifen gegen Hitze zu schützen muss die Rauchkammer so isoliert werden, wie bei vielen Loks die Stehkessel zwischen Treibrädern. Die übrige Lokomotive zeigt nur Details, die schon bei anderen Konzepten erklärt und
beurteilt wurden. So ist eine Beschreibung des Stehkessels in
Kapitel 11.2. zu finden. Neu ist allerdings,
dass diese Lokomotive keine Kohlen an Bord hat, lediglich einen gewissen Wasservorrat. Trotzdem muss sie
zum Befahren der 23m- Drehscheibe den Tender abhängen. Weil das Ab- und Ankuppeln so schnell und
einfach wie bei normalen Wagen möglich ist, wollen wir nicht von einem Tender sprechen, denn die
können normalerweise nur in der Werkstatt verbunden oder abgetrennt werden.
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Selbst bei der schweren Lokomotive nach Kapitel 10.1 wurde schon in Erwägung gezogen, einen Teil des Wasservorrats für den Fernverkehr in einen angehängten Wasserwagen auszulagern. Bei der leichten Variante sind nur noch rund 10m³ Wasser an Bord. Die Varante nach Bild 2 kann vorne wieder etwas mehr Wasser unterbringen, braucht es wahrscheinlich sogar zur optimalen Belastung des Haupttriebwerks. Man greift es aber erst an, wenn der Wasserwagen leer ist. Diese Lokomotive braucht einen Wasserwagen, der auch einen Kohlenkasten hat. Oder besser: An beiden Enden je einen üblichen, stromlinienförmig abgedeckten, Kohlenkasten. Denn sonst müsste man diesen Kohlen−/Wasserwagen ja ebenfalls separat auf die Drehscheibe rangieren. Die doppelte Kohlenmenge, also eine Rückfahrt ohne Kohlefassen, hat so große betriebliche Vorteile, dass der wegen des Zusatzgewichtes etwas erhöhte Kohlenverbrauch gerne hingenommen wird. Bei Hochgeschwindigkeit zählt der Luftwiderstand sowieso mehr als das Gewicht. Dieser Grobentwurf ist offensichtlich auf möglichst kurze Dampfleitungen hin optimiert. Ob sich dies durchhalten lässt, wird sich erst nach einer Berechnung der Gewichtsverteilung herausstellen. Wir vermissen auch noch Angaben über die Rahmen und Drehgestelle. Ob der Hilfsantrieb auf demselben Drehgestell, wie die darauf folgenden Laufachsen, befestigt ist. Wir tippen mal auf eine seitenverschiebbare Laufachse und dahinter eine Adamsachse mit Rückstellfedern. Dieses vierachsige, mittlere Drehgestell könnte das vordere Ende des Kesselaufliegers tragen. Die 2'B− Vorderlok hätte dann bei leerem Wasserbehälter zu wenig Reibungsgewicht. Auch diese Firma hat einen zweiten Entwurf mit umgedrehtem Kessel. Wir werden sehen, wie es da um die Gewichtsverteilung steht. Ein zur unzureichenden Belastung des Hauptantriebs befragtes Arbeitskreis- Mitglied meinte, wahrscheinlich würde man in solch einem Fall, wie bei den amerikanischen, vielachsigen Mallet- Loks, vorne einen großen Speisewasser- Vorwärmer spendieren, der die Kesselleistung um etliche Prozent anheben kann. Das sei bei kurzen, dicken Kesseln besonders wirksam, weil sich bei diesen eine deutlichere Temperaturschichtung ausbilden könne. Bei längerem Betrieb an der Kesselgrenze wären die untersten Heizrohre nur damit beschäftigt, das nachgefüllte Wasser auf Siedetemperatur zu bringen. Man hätte im Arbeitskreis geplant gehabt, sich intensiv damit zu befassen, nicht nur das nachzufüllende Wasser in einem kleinen Oberflächen- Vorwärmer auf z.B. 90° zu erhitzen, sondern in einem Umlauf größere Mengen von Kesselwasser aus dem untersten Viertel auf höhere Temperaturen, bis kurz vor die Siedetemperatur zu bringen. Dazu wären allerdings neuartige Umwälzpumpen erforderlich, in Anlehnung an die für Hochdruckloks erfundenen. |