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Zweihundert Kilometer pro Stunde nach FahrplanTeil 12: Booster für mehr als 70km/h Heute nehmen wir uns ohne lange Vorrede die anderen beiden Konzeptvorschläge mit Hochgeschwindigkeits- Booster und umgedrehtem Kessel vor. Beginnen wir wieder mit der Firma, die gelernt hat, dass man mit Reichsbahn- Verantwortlichen nur dann ins Gespräch kommt, wenn man sich nicht allzu weit von den Baugrundsätzen der Einheitsloks entfernt. Bei der hier abgebildeten Skizze springt deutlicher als bei früheren der sprichwörtliche "Wagnerkessel" ins Auge, an dem sich ja jüngst gerade wieder die Geister scheiden. Diese Diskussion wollen wir hier nicht neu eröffnen. Wir stellen nur fest, dass alle jüngeren Ingenieure von kleinen Stehkesseln und extralangen Rohrlängen im Langkessel garnichts halten. Was wir im letzten Kapitel über den Aschkasten geschrieben hatten, der durch die Booster- Treibstangen eingeengt wird, trifft hier, verursacht durch die Treibstangen des Haupttriebwerks noch verstärkt zu, weil diese höher liegen. "Und was ist mit der Treibstange des mittleren Zylinders?" fragte ein Kollege. "Geht die mitten durch den Aschkasten?" Da merkten wir erst, dass für den Hauptantrieb hier ein Zweizylinder- Triebwerk vorgesehen ist. Und zwar mit vollem Ausgleich der hin- und hergehenden Massen. Denn die Blindwelle hat, wie für ein Vierzylinder- Triebwerk, innen um 180° gegen außen verdrehte Kröpfungen, die über Treibstangen und Kreuzköpfe Gewichte hin- und herlaufen lassen, die den Kolbengewichten entsprechen. So kann man ideal ausgleichen, besser als mit umlaufenden Gegengewichten, die zusätzliche vertikale Kräfte in die Lager der Blindwelle einleiten würden. Jemand bemerkte trocken: "Zweizylinder für 200km/h? Der Entwurf kommt von seiner Majestät Kunibald persönlich." Womit der Bauartdezernent R.P.Wagner gemeint war. Die bis hinter die Lokomotiv- Mitte zurück verlegten Hauptzylinder müssen aber natürlich am Rahmen der Vorderlok befestigt sein, der über das Drehgestell mit Außenrahmen hinweggeht. Weil die Zylinder dadurch in Kurven weit hinausschwenken würden, müssen sie etwas nach innen verlegt werden. Dadurch engen die Gleitbahnen den Aschkasten noch weiter ein. Weil der Rost etwa 3m lang werden kann, kommt man trotzdem auf ausreichende Rostfläche. Der Schwerpunkt des Kesselaufliegers, bezogen auf den Gesamt- Achsstand der Lok, dürfte um 1,5m weiter vorne liegen, mit Kohlen noch mehr, so dass fehlende Belastung der Treibräder hier kein kritsches Thema sein dürfte. Großer Vorteil des umgedrehten Kessels ist natürlich generell, dass kein zusätzliches Heizerhaus benötigt wird. Die Längen der Dampfleitungen dieser Version sind durchschnittlich. Über das Prinzip der Booster- Kupplung haben wir keine Angaben. Weil der Hilfsantrieb nur zwei Zylinder ohne Ausgleich der hin- und hergehenden Massen hat, ist er trotz günstiger Dimensionierung nur bis 140km/h verwendbar. |
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Konzeptentwurf mit Dreizylinder- Booster und gedrehtem Kessel: Weniger optimal ist die Abhängigkeit der vorderen Belastung von der Kohlenmenge. Allerdings
nicht dramatisch, weil es sich nur um 10t handelt. Auch kann man durch verschiedene Federwege von Lauf- und
Treibachsen, bei getrenntem Lastausgleich nur innerhalb des führenden Drehgestells und innerhalb der
Kuppelachsen, ereichen, dass sich unterschiedliche Wasser- und Kohlelasten hauptsächlich bei den
Laufachsen auswirken. 10t weniger Kohle könnte bedeuten: Drehgestell und Schleppachse je 4t weniger Last,
und die Treibachsen je 1t weniger. Ein leerer Wasserbehälter vorne würde das Drehgestell um weitere 5t
entlasten, so dass jeder Drehgestell-Radsatz statt 15t Radsatzlast nur noch 15 −2 −2,5 =10,5t
aufweisen würde. |
Der Hilfsantrieb ist unverändert. Durch optimierten Dreizylinder- Antrieb und sehr leichte Kuppelstangen, wegen der zusätzlichen, nur mit Gegengewicht versehenen Blindachse, ist eine Verwendung bis 170km/h geplant, der Spitzenwert für 2100mm Raddurchmesser. Der für die letzten Entwürfe des Arbeitskreises verbesserte Kessel konnte hier unverändert übernommen werden. Der Aschkasten, genauer ausgedrückt: Die beiden Aschkästen unter den beiden Rosten sind ebenfalls fast optimal. Es sei denn, die Gewichtsberechnung ergibt, dass doch noch ein weiterer Laufradsatz benötigt wird. Ein kleiner zu 15t Radsatzlast würde durch seinen in den Aschkasten hineinragenden Radkasten dessen Volumen um etwa 20% reduzieren. Denn die Aschkästen befinden sich bei diesem Stehkessel ganz außen, größtenteils außerhalb der Räder bis an die Profilgrenze. Einen Querschnitt bringen wir, lange versprochen, im nächsten Heft. Kein Licht ohne Schatten! Weil die Rauchkammer ganz hinten am Ende der Lok plaziert ist, gibt es mal wieder recht lange Dampfleitungen. Dabei kann die Leitung zu den Hauptzylindern oben durch den Dampfraum des Kessels gehen. Im Innenraum des Siphons könnte sogar ein Nachüberhitzer Platz finden, durch den ein kleiner Teil der Verbrennungsgase aus der Feuerbüchse geleitet wird. Das wurde allerdings noch nicht detailliert konstruiert, ist also nicht mehr als eine Idee. Die Gase könnten dann in einem Mantelrohr, das die Abdampfleitung umgibt, zur Rauchkammer gesaugt werden. Dabei reduzieren sie auch die Abkühlung und den Volumenverlust des Abdampfes. Wegen der gelenkigen Rohrverbinder wird das jedoch recht komplex. Man würde das nur investieren, wenn sich die langen Leitungen stark Leistungs- vermindernd bemerkbar machen würden. Übrigens: Bei den großen, amerikanischen Mallet- Güterzug- Lokomotiven dürften 10m lange Dampfrohre nichts Besonderes sein. |