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Zweihundert Kilometer pro Stunde nach FahrplanTeil 12: Booster für mehr als 70km/h Es war nicht zu erwarten gewesen, dass die Neuigkeiten zum 200km/h- Thema so weiter sprudeln würden, wie in den letzten Monaten. In der Tat hörten wir weder etwas von ehemaligen Arbeitskreis- Mitgliedern, noch von Seiten der zuletzt aktiv gewordenen Firmen. Jeder wartet wohl ab, wie sich die Reichsbahn weiter verhalten wird. Das gibt uns Gelegenheit, passend zu den Schwerpunkten der letzten Hefte, uns noch einmal mit Prinzipien des Hilfsantriebs zu befassen. Wir hatten seinerzeit, als man das Gesamt- Konzept von drei großen Treibradsätzen auf zwei mit Hilfsantrieb änderte, einige Skizzen erhalten. Bei der Durchsicht stellten wir fest, dass die meisten Prinzipien nur für Zweizylinder- Antrieb geeignet waren. Denn damals war ja nur an eine Anfahrhilfe gedacht gewesen. Seitdem aber das Ziel ist, die Hilfe eines Boosters bis zu möglichst hohen Geschwindigkeiten in Anspruch nehmen zu können, kommt praktisch nur noch der Dreizylinder- Antrieb in Frage. Vierzylinder- oder Vierzylinder-Verbund- Anordnungen würden zuviel Platz und Kosten beanspruchen. Fast alle damals skizzierten Trennkupplungen waren außen neben den Treibradsätzen angebracht. Man hielt es bei den kleinen Raddurchmessern für unverzichtbar, die Trennung zwischen Achse und Kurbel anzuordnen, denn Kuppelstangen, die mit hohen Drehzahlen umlaufen können und trotzdem die beim Anfahren erforderlichen Kräfte übertragen können, werden sehr schwer. Das wollte man vermeiden, weil sie zu den ungefederten Massen rechnen. Für Hochgeschwindigkeits- Booster hat man sich nun damit abgefunden, dass die Kuppelstangen immer mitlaufen. Der Unterschied zwischen Hilfs- und Hauptantrieb wird ja mit steigendem Booster- Raddurchmesser immer geringer. Neben dem eleganten, in Kapitel 12.2. vorgestellten Prinzip fanden wir nur noch ein weiteres, das sich zum Stilllegen der Treibstange eines dritten Innenzylinders eignet. Abgesehen von all' den Möglichkeiten, eine Trennkupplung zwischen Treibachsen und Blindwelle anzuordnen. Die Blindwelle könnte dann sogar für ein Vierzylinder- Hilfstriebwerk gekröpft sein. Die Kupplungen zwischen zwei Achsen benötigen aber viel Platz und Gewicht. Unter den damals geplanten, kleinen Zweizylinder- Hilfsantrieben war die hier vorgestellte Varante wegen ihrer Bauhöhe von etwa zwei Metern keine sehr überzeugende Lösung. Wenn aber die Booster- Räder ebenso groß werden, stört das nicht. Wir waren so frei, den Entwurf des Arbeitskreises, den wir in Kapitel 10.2
vorgestellt hatten, so zu modifizieren, dass dieser Booster mit Leerlauf- Hubreduzierung hineinpasst. |
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Änderungen am Lokomotiv- Konzept gegenüber den in Kapitel 10.2. vorgestellten schweren Varianten, die ja die letzten des Arbeitskreises mit Hilfsantrieb waren. Die danach favorisierten leichten Varianten verzichteten ganz darauf. Erst der Vorschlag der Lokomotivhersteller für eine 200km/h- Versuchslok sah wieder einen Booster vor, nun jedoch ganz ohne Trennkupplung bis 200km/h verwendbar. Obwohl der Kessel auf den ersten Blick anders aussieht, hat sich prinzipiell nichts geändert. Der Stehkessel ist tiefer heruntergezogen, und der Rost wird wieder durch einen mittleren Siphon in zwei Hälften geteilt. Diesen Entwurf des Arbeitskreises hatten wir bisher in unsere Bilder nur vereinfach eingezeichnet. Nachdem er in den Firmen- Entwürfen der letzten Hefte in detaillierter Darstellung wieder auftauchte, wollen wir ihn so weiterverwenden. Unterschiede gibt es dabei hauptsächlich durch die Anpassung der Länge der Verbrennungskammer. Um den Durchmesser des Langkessels nicht reduzieren zu müssen, haben wir einen Booster- Raddurchmesser von 2000mm gewählt, also nicht weit von den im letzten Kapitel vavorisierten 2100mm. Beim Hauptantrieb haben wir eine Idee aufgegriffen, die im Arbeitskreis einige Anhänger hatte, aber hier noch nicht zur Sprache kam. Was wir bei dieser Gelegenheit ebenfalls nachholen wollen. Und zwar ging es um die alte Frage: Was ist für Hochgeschwindigkeit besser, ein hoher oder ein niedriger Schwerpunkt? Im Grunde hat man wegen der großen Antriebsräder und des hochliegenden Kessels über den vielen Laufachsen garkeine Wahl. Der Schwerpunkt kommt automatisch recht weit nach oben. Es gab aber Bestrebungen, wenigstens den Schwerpunkt der Vorderlok herunter zu holen. Das konnte durch tiefe Lage der drei Zylinder und durch einen Rahmen unterhalb der Antriebsachsen erreicht werden. Normale Rahmen gehen über die Achsen und haben nach unten offene Achsgabeln, die durch geschraubte Stege verschlossen werden. In den Gabeln bewegen sich die Achslager, die jedoch nicht direkt den Rahmen tragen, sondern an den Federn hängen. Deshalb ändert sich nichts, wenn die Gabel nach oben offen ist, und oben mit einem Steg verschlossen wird. Statt die Radsätze von einer Grube in die Gabel hoch zu drücken, kann die Montage jetzt mit einem Kran von oben erfolgen. Weil Radsätze öfter als Kessel und zu anderen Zeitpunkten ausgebaut werden müssen, scheidet die nach oben offene Gabel bei normalen Lokomotiven aus. Hier war aber gefordert, dass vor der Rauchkammer keine Aggregate im Weg stehen dürfen, damit die Kesselrohre mit langen Lanzen ausgeblasen werden können. Pumpen und dergleichen könnten an den Seitenwänden montiert sein, gut zugänglich vom "Maschinenraum", wo sie einen Radsatztausch von oben aber nicht behindern würden. Die tiefe Lage der Zylinder spricht ebenfalls für den Radsatztausch von oben, denn sonst müsste man vorher Treibstange, Kreuzkopf und Gleitbahn des Innenzylinders ausbauen. Die hängende Zylinderlage ergibt mit Abstand die kürzesten Dampfleitungen, ohne in Kollision mit dem Drehzapfen des Kesselaufliegers zu geraten. |
Erklärungen zum Prinzip der Kupplung nach Bild 2: In der rot eingezeichneten Arbeitsstellung geht die Kraft direkt in die Treibstange, wobei keine Winkel größer als bei einem normalen Antrieb sind. Aber betrachten wir zuerst die schwarz gezeichnete Leerlaufstellung, in der alle Teile sichtbar sind, die sich in Arbeitsstellung teilweise verstecken. Am links gezeichneten Radsatz dreht sich am Kurbelzapfen innen die Kuppelstange und außen eine Treibstange üblicher Länge. Das Lager am anderen Ende der Treibstange umschließt aber nicht den Kreuzkopfzapfen, sondern einen Zapfen in einer Gabel am unteren Ende einer Vierkant- Gleitbahn. Diese pendelt um ein Lager, das am oberen Ende durch einen Hebel in verschiedene Höhenlagen einstellbar ist. Dazu ist der Hebel rechts am Rahmen- Ausleger gelagert und wird links z.B. durch eine bewegliche Spindel verstellt. Auf der Vierkant- Gleitbahn läuft ein Vertikal- Kreuzkopf, blau gezeichnet. Dieser hat dieselbe Aufgabe, wie bei einer Steuerung der Schwingenstein. Wenn der Kreuzkopf in der untersten Endlage die Treibstange umgreift, macht er deren Bewegung zu 100% mit. Weil der Verstellhebel am oberen Ende der Gleitbahn hier durchgehend gestaltet wurde, gelangt der Kreuzkopf oben nicht bis zur null Prozent Stellung, weil er vorher an den Hebel anstoßen würde. Mit etwas anderen Formen wäre auch 0% erreichbar, also Stillstand, aber hier hat man sich mit 20% bis 25% zufrieden gegeben. Man möchte nun allerdings nicht den Kreuzkopf auf und ab bewegen, weil er in der Haupt- Kraftrichtung liegen soll. Deshalb verändert man die Höhenlage der pendelnden Gleitbahn, und hängt den Kreuzkopf an den blau gezeichneten Pendel. Weil dieser denselben Achsabstand wie die Gleitbahn hat, machen beide in der rot eingezeichneten Arbeitsstellung identisch dieselben Bewegungen. Das ist der eingekuppelte Zustand Weil sich die Kolbenstange linear bewegt, der Vertikal- Kreuzkopf aber pendelt, ist noch ein zusätzlicher, normaler Horizontal- Kreuzkopf erforderlich. Weil hier nur kleine Winkel vorkommen, kann er mit seiner Gleitbahn jedoch viel kleiner und leichter als üblich gebaut werden. Die Vertikalkräfte, die sonst auf die Gleitbahn gehen, mit Maximum bei oberer und unterer Kurbelstellung, gehen hier über die Pendel auf den Rahmen. Es sei darauf hingewiesen, dass diese Skizze eine Vereinfachung darstellt. Es würde sich so ein ungleichmäßiger Verlauf der Tangentialkraft ergeben, nicht so, wie man es mit einer Dreizylinder- Maschine erreichen könnte. Einige Drehzapfenpositionen müssen korrigiert werden, was die Zeichnung aber sehr unübersichtlich machen würde. Die Außenzylinder könnte man natürlich auch auf Achsenhöhe der Treibräder legen. Bevorzugt wurde hier eine einheitliche Höhe. Der Innenzylinder muss so tief liegen, um die Achse des Kuppelradsatzes nicht kröpfen zu müssen. |
Vergleich der sechs Varianten mit Hochgeschwindigkeits- Booster Außer Konkurrenz wird auch das schwere Konzept des Arbeitskreises nach Bild 3 in
Kapitel 10.2 in Spalte A
aufgenommen. Es folgen: In Spalte B Bild 1 von Kapitel 12.1. Achsfolge in Kurzform: Ohne Berücksichtigung der Zuordnung zu Drehgestellen. A: 2B2C4 B: 2B5A C: 2B5B D: 2BB5 E: 2B5B F: 2B5B G: 2B2B3 Gesamtgewicht, wenn alle Radsatzlasten 20t (bzw. führend 15t) betragen: A: 240t B: 185t C: 200t D: 200t E: 200t F: 185t G: 195t zu schwer! + 40t? + 10t? Booster verwendbar bis etwa: (in km/h) A: 60 B: 200 C: 140 D: 170 E: 140 F: 170 G: 155 Kessel: Rohr-/Verbrennungskammer- Länge (in Metern) 5,5/1,2 6,0/ - 6,0/ - 5,5/1,0 7,2/ - 5,0/0,7 5,5/1,6 +Siphon - - +Siphon - +Siphon +Siphon Dampf-/Abdampfleitung des Haupttriebwerks und Boosters (2. Zeile): 8,5/2,5 8,2/5 8,2/5 7,0/5,0 8,3/7 ! 10,5/10 ! 5/1,5 3,2/5,5 13 / - ! 7,2/7,0 5,3/4,8 5,0/4,2 6,5/5,0 3,5/4,2 |
Gewichtsverteilung: Spezielle zusätzliche Nachteile: Variante B: Der Innenzylinder des Boosters ist vom Aschkasten umgeben: Überhitzungsgefahr! B und C: Zum Ausblasen der Kesselrohre müssen die Lokhälften getrennt und auseinandergefahren werden. Bei D muss man dazu das Führerhaus mit einbeziehen und anschließend vom Staub reinigen (Bei A und G ist es durch eine Tür abgetrennt). Variante D hat keine Kohlen an Bord, benötigt also im Wasserwagen an beiden Enden Kohlenkästen. Spezielle, zusätzliche Vorteile: Variante A ist wegen des dreiachsigen Hilfsantriebs für Bahnhofsausfahrten mit steilen Überwerfungs- Rampen geeignet. Wegen der Trennkupplungen zwischen Achse und Kurbel bei jeder Hilfs- Treibachse, haben diese im ausgekuppelten Zustand, also insbesondere bei Höchsgeschwindigkeit, einen minimalen Rollwiderstand. Dieser ist so niedrig, wie bei Wagenachsen, während gekuppelte Radsätze deutlich höhere Widerstände aufweisen. Varianten E und F benötigen kein getrenntes Heizerhaus. Die Kesselreinigung mit Ausblasen erfolgt wie bei Einheitsloks. Variante G kann wahrscheinlich auch rückwärts 200km/h schnell fahren. Der Lokführer hat dann vom Heizerhaus gute Sicht, weil der Wasserwagen am andern Ende vor dem Zug eingefügt wird. Variante A würde sich ähnlich gestalten lassen, dürfte wegen des schwereren Drehgestells rückwärts jedoch nur etwa 170km/h erreichen. Unsere Beurteilung: Wenn es nicht doch ein bisher übersehenes Kriterium gibt, und wenn es bei der Detailkonstruktion keine böse Überraschung gibt, scheint unsere Varante G den besten Kompromiss darzustellen. Die anderen hatten sich zu einseitig auf die Optimierung einer speziellen Eigenschaft konzentriert. Die Redaktion konnte sich nicht verkneifen, sich gegenseitig auf die Schulter zu klopfen, insbesondere unserem neuen Zeichner, der die Fragmente so passend zusammengefügt hatte. Wir sind sicher, dass der Arbeitskreis seine Fragmente − denn wir Berichterstatter haben ja nichts erfunden − ebenso zusammengefügt hätte, wenn er diese Richtung mit Booster weiter verfolgt hätte. |