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Zweihundert Kilometer pro Stunde nach FahrplanTeil 3 : Raddurchmesser, Achslasten und Fahrwerksaspekte Teil 3.1 : Abschätzungen zum Fahrwerk
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Die letzte Folge der Berichte über die Ergebnisse des 'Arbeitskreises 200 km/St. nach Fahrplan' beruhte fast nur auf den Protokollen der Zusammenkünfte. Weil sie nur Randbedingungen festlegten, aber keine grundlegenden Neuheiten enthielten, waren sie nicht als vertraulich eingestuft. Das wird sich bei den weiteren Arbeiten vermutlich bald ändern. Dann werden wir wohl mit immer dürftigeren Details vorlieb nehmen müssen. Diesmal haben wir nichts Schriftliches erhalten. Der Sprecher des Arbeitskreises hat uns aber mit bewundernswerter Offenheit vom Verlauf der letzten Sitzung erzählt, und auch erlaubt, von der nicht ganz befriedigenden Diskussion zu berichten. "Warum sollen wir dem Leser etwas vormachen?" meinte er. "Wir sind ein Haufen guter Ingenieure, aber Individualisten, die hier endlich einmal ihre Ideen durchsetzen wollen, mit denen sie sich an ihrem Arbeitsplatz zurückhalten müssen. Aber warten wir ab! Nach zwei oder drei Sitzungen werden wieder alle an einem Strang ziehen." Es ging diesmal um das heikle Thema Fahrwerk und Raddurchmesser. Denn hier wird ja Neuland betreten. Wie kann man die bisherigen Schnellfahrversuche extrapolieren? Kann man davon ausgehen, dass eine Vergrößerung des Durchmessers der angetriebenen Räder proportional zur angestrebten Geschwindigkeits- Erhöhung zum Ziel führt? Die Drehzahl könnte durch dieses Vorgehen gleich bleiben, und bei unverändertem Kolbenhub würde dann auch die maximale Kolbengeschwindigkeit bei dem inzwischen gut beherrschbaren Wert bleiben. Das Hebelverhältnis von Laufflächen- Radius zu Kurbelradius wird allerdings proportional vergrößert. Will man trotzdem keine Einbuß an Anfahr- Zugkraft hinnehmen, muss die Kolbenfläche ebenso vergrößert werden. Kolbenstangen, Treibstangen und Lager müssen für die höheren Kräfte massiver dimensioniert werden. Der Anteil von Massenkräften, insbesondere von den hin und hergehenden Massen, der sich nicht kompensieren lässt, steigt dann trotzdem, obwohl die Drehzahl gleich bleibt. An einer möglichst weitgehend ausgeglichenen Anordnung, etwa einem Drei- Zylinder- Antrieb führt also kein Weg vorbei. Das wäre also ein risikoarmer Weg über bewährte Technik. Je nach vorgesehener Reserve käme man so zu einem Raddurchmesser von fast drei Metern. Die ersten Meinungen dazu: Völlig unmöglich! Das ist ja zwei Drittel der Profilhöhe, da bleiben ja für den Kesseldurchmesser weniger als 1300mm. Das Gewicht eines solch riesigen Antriebsradsatzes könnte sieben Tonnen erreichen, mit gekröpfter Achse neun Tonnen. Dabei handelt es sich wohlgemerkt um eine ungefederte Masse. Würde das nicht an Weichen und Schienenstößen den Unterbau zu stark beanspruchen? Die höhere Geschwindigkeit wäre durch das flachere Anlaufen des größeren Rades an die Stufe entschärft. Die größere Masse freilich würde bei einer Aufwärtsstufe voll durchschlagen. Bei einer Unterbrechung ( Weichenkreuz ) allerdings würde sie auch nicht so schnell hineinfallen. Man einigte sich vorläufig darauf, dass man für den Ausbau der Strecken ohnehin eine lange Liste von Anforderungen werde aufstellen müssen, dass man sich in dieser Hinsicht nicht jetzt schon einengen sollte. Ein Nachteil des hohen Radsatzgewichtes ließ sich allerdings nicht wegdiskutieren: Bei der zulässigen Achslast von 20 Tonnen könnte eine Achse nur 13 bzw. 11 Tonnen des Kesselgewichtes tragen. Entsprechend mehr Laufachsen wären erforderlich. |
Bei ersten Abschätzungen war man nur von der erforderlichen Kesselleistung ausgehend zu einem Dienstgewicht von über 140 t gekommen, wobei allerdings 10 t Kohlen mitgerechnet wurden. Wie im letzten Beitrag erklärt, soll ja der angehängte Tender nur Wasser tragen, damit er vor Benutzen einer Drehscheibe leicht abgekuppelt werden kann. In Anbetracht der sechs 3m- Räder und mit einem Zuschlag wegen des höheren Rahmens setzte man das Dienstgewicht neu mit 150 t an. Bei einer zulässigen Achslast von 20 t und Achlasten des führenden Drehgestells von
16 t wie bei der Baureihe 01 könnte die Achsaufteilung zum Beispiel so aussehen: Dabei stellte man sich die Achsfolge (2')2'C 1 vor, mit vierachsigem Drehgestell, wobei zwei Achsen in einem führenden Subdrehgestell zusammengefasst wären. In Bild 1 sind die Verhältnisse schematisch dargestellt. Bei Drehgestellen muss ebenfalls auf das Eigengewicht geachtet werden. So gesehen ist das Subdrehgestell unökonomisch, und man muss gut abschätzen, ob die Verbesserung der Laufeigenschaften einen gegebenenfalls erforderlich werdenden zusätzlichen Radsatz rechtfertigt. Über die Achsanordnung wurde nicht diskutiert. Man nahm sie als ersten Ansatz, weil zwei Mitglieder unabhängig voneinander schon vor Jahren Entwürfe mit solcher Anordnung erstellt hatten, jedoch mit geringeren Achslasten für schwächere Lokomotiven, und ohne den Kohlentender. Es leuchtet ein, dass diese Achsfolge bei höchsten Geschwindigkeiten vorteilhaft ist, wenn in eine Kurve eingelenkt wird, oder gerade Gleise von der idealen Gerade mehr als einige Millimeter in Schlangenlinien abweichen. Was man im normalen Schnellzug kaum spürt, könnte bei 200 km/St. heftige Lenkstöße oder gar Schwingen um die senkrechte Achse hervorrufen. Schließlich können von den 8 Achsen nur drei fest sein. Aber dazu mehr, wenn wir erste Entwürfe zum Thema Fahrwerk erhalten. In dieser Sitzung ging es in erster Linie nur um die optimalen Raddurchmesser. Bei den führenden Laufrädern setzte man als untere Grenze 1200mm an, um die bewährten Achslager bei nur mäßig erhöhter Drehzahl beibehalten zu können. Bei Laufrädern für die höchste zulässige Achslast von 20 Tonnen sollte zum Schutz von Radreifen und Schienen ein Durchmesser von 1400mm angestrebt werden. Was aber die Antriebsräder anging, trennte man sich, ohne einen Entschluss gefasst zu haben. |