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Zweihundert Kilometer pro Stunde nach FahrplanTeil 3. Raddurchmesser, Achslasten und Fahrwerksaspekte Teil 3.1 : Abschätzungen zum Fahrwerk Anhang zu Teil 3 : Getriebe, Gleitlager usw.
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In roter Schrift: Bemerkungen aus heutiger Sicht und historische Daten. Alles andere Fiction! |
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Stundenlang wurde über alle bekannten Methoden geredet, mit kleineren Treibrädern auszukommen, die dann mit höherer Drehzahl laufen müssten. Wegen der geringen Reserve, die heutige, bewährte Dampfmaschinen bei der zulässigen maximalen Kolbengeschwindigkeit aufweisen, müsste für eine höhere Drehzahl der Kolbenhub reduziert werden. Das Verhältnis von Kolbenhub zu Zylinderdurchmesser kann nicht beliebig verkleinert werden, so dass ein kleinerer Kolbenhub nur für kleinere Leistung pro Zylinder in Frage kommt. Die Lok müsste entsprechend mehr von solchen kleineren Zylindern bekommen, was den Wirkungsgrad stark reduzieren würde. So kam man zwangsläufig zu einem Getriebe, bei dem die Drehzahl der Treibräder z.B. das 1,5-fache der Drehzahl der Dampfmaschine wäre. Die Anwendung von Hochleistungs- Zahnrad- Übersetzungen ist bisher nur von hochtourigen Motoren auf Achsen mit niedrigerer Drehzahl erprobt. Nämlich bei Turbinen- und Elektroloks. Die haben dann auf der Motorachse ein breites Ritzel, das in ein großes Zahnrad auf der Treibachse eingreift. Oder besser, zur Vermeidung zusätzlicher ungefederter Masse, auf einer Blind- oder Hilfsachse. Die Abmessungen dieses Zahnrades sind vom zu übertragenden Drehmoment und der Drehzahl, also von der Leistung abhängig. Sie können also nicht verkleinert werden, egal, welches Übersetzungsverhältnis gewünsch wird. Das Primärzahnrad auf der Kurbelwelle der 1:1,5 mal langsamer laufenden Dampfmaschine müsste also einen 1,5 mal größeren Durchmesser haben. Statt des kleinen Ritzels wäre also ein Zahnrad von einigen Tonnen Gewicht unterzubringen. Man wollte trotzdem bei den Getriebeherstellern anfragen, ob es mit solchen Getrieben schon Erfahrungen gab. Eine Zeitlang votierte eine Mehrheit dafür, das konventionelle Dreizylinder- Triebwerk zu verlassen und stattdessen drei ungekuppelte Antriebsachsen vorzusehen, mit jeweils einem kleinen Zweizylinder- Triebwerk. Während das Dreizylindertriebwerk bei 2800mm- Rädern eine Kolbenhub von maximal 750mm haben dürfte, müsste für einem Raddurchmesser von 2300mm der Kolbenhub auf etwa 610mm reduziert werden. Der Zylinderdurchmesser stellt dann kein Problem dar, weil die doppelte Zylinder- Anzahl einer nur um den Faktor 750/610 = 1,22 höheren erforderlichen Zylinder- Gesamtkraft gegenübersteht. Nachteilig ist das höhere Gewicht aller Zylinder, Treibstangen, Steuerungen usw.. Auch konnte niemand beantworten, wie beim Anfahren das Durchdrehen einzelner Achsen verhindert werden könnte. Mit drei Triebwerken etwa gleiche Zugkräfte zu erzeugen, dürfte kaum zuverlässig erreichbar sein. Auch wagte man sich nicht vorzustellen, wie sich die Lok verhalten würde, wenn zufällig alle drei Triebwerke im Gleichtakt ihre unausgeglichenen, hin und hergehenden Massen aufaddieren würden. Dieses Problem lässt sich durch je ein ideales Drei- Zylinder- Triebwerke pro Achse beseitigen, allerdings hat niemand ernsthaft eine Neun- Zylinder- Lok in Betracht gezogen. Schon eher überlegenswert wäre es, die drei Treibachsen doch zu kuppeln. Die Winkel der Kurbeln könnten so gewählt werden, dass sich die sechs Zylinder ausgleichen würden. Großer Nachteil: Man braucht drei schwere Radsätze mit Kropfachsen. |
Es kamen auch originelle Vorschläge, alle zum Thema höherer Kolbengeschwindigkeiten bei leichterer Bauweise der bewegten Teile. Der Sprecher des Arbeitskreises erinnerte sich nur noch an die Ausführungen des ältesten Teilnehmers, der zunächst fast Gelächter hervorrief, dann Staunen und schließlich Schweigen und eifriges Zeichnen in den Notizblöcken. Es ging, vereinfacht gesagt, um das Prinzip, das man bei kleinen Spielzeug- Dampfmaschinen vorfindet: Da ist die Kolbenstange als feste fluchtende Verlängerung der Treibstange ausgeführt. Es gibt also keinen Kreuzkopf und keine Führung. Allerdings muss sich der ganze Zylinder um eine Achse parallel zur Treibachse drehen können. Um vom Rad her den schweren Zylinder hin und her schwingen zu lassen, wäre die Treibstange stark auf Biegung beansprucht. Kolbenstange und Stopfbüchsen- Gleitflächen müssten fast so massiv konstruiert werden, wie sonst Kreuzkopf und Lineal. Die geringere Zahl der Teile bringt so keinen Vorteil bezüglich der bewegten Massen. Der alte Herr hatte jedoch schon vor etwa 30 Jahren eine Konstruktion ersonnen, wo die Kräfte zum Pendeln des Zylinders nicht vom Rad über die Treibstange, sondern durch die Dampfkraft eines kleinen zusätzlichen Zylinders aufgebracht werden. Weil dessen Steuerung immer den gerade erforderlichen Winkel einstellt, muss die Treibstange nur Druck- und Zugkräfte aushalten. Bild 2 zeigt eine Prinzipskizze, aus der man abschätzen kann, dass die hin und her gehenden Massen auf etwa ein Drittel gegenüber der Standard- Anordnung reduziert werden. Vertikale Schwingungen sind durch das Gegengewicht reduziert. Die Drehbeschleunigung um die Pendelachse wirkt sich wegen der Länge der Lok nicht in Form von Nickbewegungen aus. In der fiktiven Zeitschrift hielt man es, wohl aus Platzgründen, Das komplizierte Gebilde existiert bis heute nur auf dem Papier, und da wird es wohl leider auch bleiben. Denn der Vorsitzende brach die schon viel zu lange dauernde Besprechung ab. Er schickte die Leute mit der Bitte nach Hause, doch noch einmal ganz nüchtern zu untersuchen, ob man nicht doch auch mit Drei- Meter- Rädern eine vernünftige Lokomotive bauen kann. Zur Frage des optimalen Raddurchmessers und der Drehzahlen generell gibt es, mehr ins Detail
gehend und mit einigen Ausführungsbeispielen, den folgenden Anhang: |