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Zweihundert Kilometer pro Stunde nach Fahrplan4. Varianten mit Antrieb im Tender
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Teil 4.3 und dieser Teil 4.4 erschienen als ein Artikel mit den drei Bildern 3 bis 5. Unser Zeichner, Rolf Retsiem, hatte ebenfalls Fahrwerks- Probleme befürchtet. Er ist Studierender in Karlsruhe und würde gerne am Arbeitskreis teilnehmen, aber das Examen rückt näher, so dass wir wohl bald ganz auf seine schönen Zeichnungen werden verzichten müssen. Sein erster Entwurf mit Heckantrieb war uns zu kompliziert und ließ die Angaben des Arbeitskreis- Teilnehmers hinter die eigenen Interpretationen etwas zurücktreten. So hatten wir ihn um eine vereinfachte Überarbeitung gebeten. Daraus wurde dann Bild 2. Den ersten Entwurf wollen wir nun als Bild 4 (ganz unten) nachreichen, weil er zeigt, dass durch Variieren verschiedener Komponenten, ausgehend von einer Idee, eine ganze Lawine von möglichen Ausführungen abgeleitet werden kann. Und jede hat wieder andere Vor- und Nachteile. Auch bei diesem Konzept findet man unter dem Führerhaus ein Drehgestell. Hier jedoch mit besonders großem Achsabstand, damit die Rauchführung mit darin verlaufender Dampfleitung zwischen den Achsen unter dem Rost mit seinem Aschkasten hindurchtauchen kann. Das erfordert freilich ein Drehgestell mit Außenrahmen. Für eine normale Drehbolzenlagerung mit Kraftübertragung ist dort kein Platz. Ein sehr tief in der Mitte zwischen den Radsätzen angeordnetes Kugelgelenk ist über eine Deichsel mit dem Teilrahmen der Antriebseinheit verbunden. Weil das neue Drehgestell ungebremst ist, kann die Deichsel relativ leicht gebaut sein. Sie muss nur die seitlich wirkenden Kräfte der Rückstellfedern übertragen. Welche Vorteile bringt nun dieses sicher deutlich schwerere, lange Drehgestell? Würde es, wie in Bild 3, nur den Kesselauflieger tragen, könnte es von ihm einen größeren Lastanteil übernehmen, weil der Drehpunkt näher an dessen Schwerpunkt liegt. Rolf Retsiem hat das lange Drehgestell jedoch dem Antriebsdrehgestell zugeordnet. Wenn man letzteres für sich allein als 2C- Lokomotive betrachtet, sieht man, dass die Proportionen optimal für stabilen Lauf bei hohen Geschwindigkeiten gewählt sind. Der Kessel wird also durch zwei Drehgestelle getragen, die jeweils ein Führungs- Subdrehgestell haben. Weil die Deichsel keine vertikalen Kräfte übertragen kann, musste sich der angehende Konstrukteur auch Gedanken machen, wie ein Teil des Lokgewichtes auf dem langen, flachen Drehgestell lasten könnte. Um dem Rauchkanal die volle Breite zwischen den Rädern zur Verfügung stellen zu können, ordnete er Federn und Reibplatten über dem Drehgestell- Außenrahmen an. Die Federn sind schulbuchmäßig über Ausgleichshebel in einen Lastausgleich der hinteren fünf Achsen einbezogen. So wird eine gleichmäßige und vom vertikalen Gleisverlauf unabhängige Belastung der Antriebsachsen erreicht. Auch kann man so das schwere Kugelgelenk zwischen Kesselauflieger und Antriebsteil durch ein normales, hier allerdings ca. 1m hohes Knickgelenk ersetzten, ohne sich die Nachteile einer Knicklokomotive einzuhandeln. Die Massen- Verteilung des hinteren Teils mit den überhängenden Zylindern kann nun in die Schwerpunkts- Berechnung einbezogen werden. Der Schwerpunkt aller gefederten Massen dürfte nun beim Stehkessel liegen. Fast die Hälfte des gefederten Gewichtes liegt auf den fünf ausgeglichenen Achsen. Die jeweilige Achslast ist schwieriger abzuschätzen, weil das ungefederte
Gewicht des betreffenden Radsatzes hinzukommt, beim Drehgestell außerdem die
Hälfte seines Gewichtes. Man wünscht sich eine Achslast von 12 bis 15 t beim Drehgestell
und von 20 t bei den Treibachsen. Um das zu erreichen, müssen die Ausgleichshebel
angepasst werden, indem die Arme ungleiche Länge erhalten ( In Bild 4 nicht realisiert ). |
Beim Front- Drehgestell und seinem Sub- Drehgestell sind die Platzverhältnisse nicht so beengt. Trotzdem möchte Rolf Retsiem hier eine gleichartige Federanordnung mit Ausgleichshebeln vorsehen (nicht eingezeichnet). Die Lok hat dann eine Vierpunkt- Unterstützung wie eine reine Drehgestell- Lokomotive oder wie ein D- Zug- Wagen. Überhaupt empfiehlt er, die Ergebnisse der jüngsten Forschung an den Drehgestellen von Hochgeschwindigkeits- Wagen einzubeziehen. Es kristallisiert sich dort zweierlei heraus: Erstens muss man generell das ungefederte Gewicht reduzieren, solange es nicht gelingt, die Schienen absolut plan zu verlegen, und auch dafür zu sorgen, dass sie so bleiben. Die Schienen in Beton zu verlegen, wird aber ewig ein Wunsch bleiben. Zweitens hat es sich bewährt, wenn die Achslager nicht nur senkrecht beweglich sind, sondern in alle Richtungen etwas Spiel haben. Ob letzteres bei den hohen Achslasten einer Lokomotive auch gilt, bleibt abzuwarten. Auch ein insgesamt grob zum Auflieger hin gefedertes Drehgestell sollte an den Achslagern zusätzliche Federn erhalten, die mit geringem Hub relativ klein sein können. Nun noch zu einigen Variationen, die nichts mit dem Fahrwerk zu tun haben: Zur Erleichterung der Arbeit des Heizers wurde versuchsweise der Kohlenkasten balkonartig hinter dem Führerhaus auf dem verlängerten Rahmen des Aufliegers angeordnet. Des weiteren hat unser Zeichner in Bild 4 untersucht, wie ein 4−Zylinder- Triebwerk untergebracht werden könnte. Weil der Durchmesser der Zylinder etwas kleiner als beim Dreizylinder- Triebwerk ist, besteht eine Chance, sie teilweise neben die Radreifen vorzuziehen. Um fast einen Meter ließe sich so die Loklänge reduzieren. Für die zwei inneren Zylinder, die versetzt übereinander liegen, ist nur die Anordnung der Dampfleitungen etwas knifflig. Bei den äußeren Zylindern besteht die konstruktive Herausforderung in der stabilen Befestigung. Es wird ein Träger für Zylinder, Führungslineal und Steuerung benötigt, der einem Stück Außenrahmen neben den hintersten Rädern gleichkommt. Vorteil wäre der vollständige Ausgleich der Auswirkungen der hin und her gehenden Massen, insbesondere, wenn wie hier, die im gleichen Takt in entgegengesetzte Richtung arbeitenden Zylinder direkt nebeneinander auf gleicher Höhe liegen können. Bei den meisten realisierten 4- Zylinder- Loks liegen die äußeren horizontal, während die inneren geneigt erhöht befestigt sind, oft auch mit unterschiedlich langen Treibstangen, was dann nur zu einem teilweisen Ausgleich führt. Wenn wir schon dabei sind, Ideen für Variationen zu sammeln: Warum muss die Rauchführung mit Dampfleitung mittig unter dem Bauch liegen? Sie könnte auch rechts über den Rädern wie der Wasserkasten einer Tenderlokomotive liegen. Rechts, damit sie in dieser Höhe geradlinig nach hinten weitergeführt werden kann. Der Lokomotivführer hätte, wie in den USA üblich, außen einen erhöhten Sitzplatz. In Bild 5, oben auf dieser Seite, ist der Querschnitt des Führerhauses hervorgehoben. Der Stehkessel müsste einen etwas asymmetrischen Querschnitt aufweisen, rechts mit senkrechter Seitenwand, links mit schräger, je nach Rostbreite. Die Vorteile dieser Anordnung: Der Weg von Rauch und Dampf wird um gut drei Meter kürzer. Und der Stehkessel könnte wesentlich leistungsfähiger werden, weil der Rost bis zwischen die Räder des langen Drehgestells heruntergezogen werden könnte. Fast vier Quadratmeter Kessel- Heizfläche wären so zu gewinnen. Und das Reinigen des Aschkastens wird einfacher, die Zufuhr der Verbrennungsluft besser. Die Idee für diese Lage des Rauchkanals stammt nicht allein aus der Redaktion, sondern wurde auch durch einen Arbeitskreis- Vorschlag angeregt. Dort ist dieser einzige Platz, der von vorne bis hinten durchgehend zur Verfügung steht, allerdings für einen Zusatzkessel verwendet worden. Wir werden im Zusammenhang mit der Behandlung der Kessel- Probleme darauf zurückkommen. |
Was hier noch als "sehr langer Radstand" auffällig war, passt noch bequem auf die 23m- Drehscheibe.
Allerdings ist zu berücksichtigen, dass nur die Kohlen und eine kleine Wasserreserve an Bord sind.
Wenn man den Wassertender mitrechnet, würde diese Lok nicht auf die Drehscheibe passen.
Das sollte auf die Varianten in den folgenden Kapiteln noch öfter zutreffen. Der Grund ist hier schon zu sehen:
Der gezeichnete Kessel ist zwar deutlich dicker als bei der Baureihe 01, aber auch kürzer.
Es wird sich herausstellen, dass dieser Kessel für 200km/h Dauergeschwindigkeit nicht ausreicht.
Mit einem schwereren Kessel werden aber auch Rahmen, Drehgestelle und Zylinder schwerer.
Man braucht weitere Laufachsen, und wegen deren Rollwiderstand noch mehr Leistung.
So kommt es, dass bald die Länge der Drehscheibe und die zulässige Meterlast zur entscheidenden Grenze werden.