|
Nachteile von Stuttgart21, Chancen der AlternativeBemerkungen zum Thema Denkmalschutz, Teil 2 : SüdflügelIm Teil 1 habe ich beschrieben, was alles zum Baudenkmal Bonatz- Bau gehört, und wie es dazu kam, dass es zerstört werden soll. Obwohl klar war, dass der Rest kein Denkmal sein kann, beschloss man, als Alibi nur den stadtseitigen Gebäudeteil erhalten. Im folgenden Bild 1 ist das der Turm und alles links davon. Wenn man gegenüber vom Haupteingang steht, wird man nicht sehen, dass etwas fehlt. Wenn man aber, wie bei ausgedehnten Gebäuden üblich, einen Standpunkt sucht, von dem aus man sich aus größerer Distanz einen Überblick verschaffen kann, kommt man fast zwangsweise zu der dargestellten Blickrichtung, allerdings vom Ende des Parks oft durch Bäume verdeckt. Der Architekt berücksichtigt jedoch auch den Gesamteindruck des Komplexes aus dem Betrachtungswinkel vom benachbarten Bergabhang. Deshalb bestehen die Denkmalschützer darauf, dass das Denkmal Bonatz- Bau auch den hier dargestellten sogenannten Südflügel einschließt. Halten Sie versuchsweise ein weißes Blatt über das Bild, so dass rechts des Turms alles abgedeckt ist! Vielleicht haben Sie dann auch den Eindruck, der Turm sei zu schwer und versuchte, das Schiff zum Kentern zu bringen. Zusammen mit der hier nicht gezeichneten Nordwestecke des Hauptgebäude würde es ohne Südflügel zwar nicht so sehr an eine Kirche erinnern. Aber die Proportionen des Turmes passen nicht zu einem Komplex, der am Turm endet, und seines Gegengewichtes beraubt ist. Nun dürfen Sie das weiße Batt wieder wegnehmen. Als Begründung für einen erforderlichen Abriss wurde immer wieder genannt, man könne wegen der Randbedingungen, insbesondere wegen des U− Bahn- Tunnels, den neuen Bahnhof nicht so tief legen, dass er unter die Fundamente des Südflügels passen würde. Die Decke der Bahnsteighalle würde mindestens fünf Meter über dem Straßenniveau liegen, denn auf deren Höhe müsse der Fußgängersteg zu den Bahnsteigtreppen gebaut werden. Ich will in diesem Zusammenhang nicht abschweifen, um zu erörtern, dass Unterführungen anstelle von Stegen dem umsteigenden Reisenden viele Treppenstufen sparen würden, weil ja auch S− und U− Bahn tief liegen. Selbst wenn man die Höheneinteilung als gegeben hinnimmt, sind diese den Südflügel und sein Fundament durchdringenden Ebenen kein Grund, ihn ganz abzureißen. |
||||||||||||
|
|
Erklärungen zu Bild 1: Durchdringung besser als Totalabriss Je nachdem, wieviele Bahnsteige der Tiefbahnhof haben soll, ist nur ein kleiner oder mäßig großer Bruchteil der langen Bauflucht von der Durchdringung betroffen. Das im Bild 1 gezeichnete schematische Beispiel wäre für drei breite Bahnsteige bemessen. Die Planung zu S21 mit vier engen Bahnsteigen weist eine ähnliche Breite auf, jedoch etwas weiter vom Turm entfernt, nicht genau parallel zum Hauptgebäude. Die roten Umrisse sollen die leere Baugrube darstellen. Die blau gezeichnete Decke der Bahnsteighalle habe ich übertrieben hoch und dick skizziert. Denn ich will ja den aus Sicht der Denkmalschützer schlimmsten Fall darstellen. Es gibt nur einen Standpunkt für den Betrachter, wo mit der Durchdringung ein wesentlich anderer Eindruck als vor dem Bau entstehen würde. Das ist der Bereich zwischen der Südkante der alten Gebäudefluchten und dem Fuß des Turmes. Wenn man dort nach Nordosten, entlang der langen Achse schaut, behindert der Neubau den Blick zum Ende des Südflügels. An der Stoßstelle wäre die Kunst des Architekten in besonderem Maße gefordert, um diese Blickrichtung unauffällig und ansprechend zu ersetzen. Alle anderen Blickrichtungen, soweit sie durch den Park überhaupt freigegeben werden, sind meiner Ansicht nach nur minimal beeinflusst. Ich bin mir sicher: Jeder Denkmalschützer, vor die Wahl gestellt, Abriss oder Durchdringung, würde für letztere stimmen. Genauso sicher bin ich mir, dass die meisten Architekten sich lieber frei entfalten möchten und so ein Denkmal als Klotz am Bein empfinden. Aber es gibt - und gab sicher auch damals schon - andere Architekten, die sich gerade auf solche Herausforderungen spezialisiert haben. Welche Architekten zum Zuge kamen, hing also von den Ausschreibungsbedingunen ab. Leider hatten die damals Verantwortlichen anscheinend kein großes Vertrauen in die Kunst der Architekten und konnten sich eine gelungene Durchdringung einfach nicht vorstellen. Es kann natürlich auch sein, dass man sich einig war: 'Egal, ob Denkmal! Der hässliche Kasten muss weg!' Für eine solche Einstellung kann man ja sogar ein gewisses Verständnis aufbringen. Aber in einem Rechtsstaaat darf man das vielleicht träumen, aber nicht in die Tat umsetzen. Wie das damals abgelaufen ist, wird wohl leider im Dunkeln bleiben. Angeblich war im Frühjahr 1997 in den Ausschreibungen an die Architekten von Durchdringung keine Rede mehr, der Abriss so gut wie beschlossen. Also noch vor Abschluss des Raumordnungs- Verfahrens. Später, insbesondere bei der Planfeststellung, wurde nie mehr untersucht, ob eine Durchdringung machbar gewesen wäre. Stattdessen hieß es nur noch: Der Südflügel muss abgerissen werden, damit im öffentlichen Interesse der Tiefbahnhof gebaut werden kann. Bei einem Bahnhof betrifft das öffentliche Interesse primär die Verbesserung des Verkehrs. Das wäre mit Durchdringung genausogut realisierbar. Ja, die stehenbleibenden Gebäude ließen sich nach Sanierung sogar nutzen. Das öffentliche Interesse betrifft natürlich auch eine ansprechende Architektur. Hier hat die Öffentlichkeit aber keine Wahl gehabt, weil Vorschläge mit Erhalt des Denkmals garnicht ausgeschrieben waren. Wer sagt denn, dass einem guten Architekten nicht doch etwas Eleganteres eingefallen wäre als mein oben dargestellter blauer Kasten? |
Stand 30.07.20011 Zurück zur Startseite Zurück zur Seite Stuttgart21, weder ja noch nein